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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)
Autoren: Harald Muellner
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es einfach nur das Geheimnisvolle, das ihn wie ein
Mantel aus intergalaktischem Staub einhüllte?
    Die Lounge war – so wie im Reiseprospekt mehrfach darauf
verwiesen wurde – mit großzügigen ovalen Panoramafenstern ausgestattet, die in
Gruppen zu jeweils drei Fenstern beinahe die gesamte Höhe des Raumes einnahmen
und dem Reisenden einen uneingeschränkten Blick auf die Leere des Alls
erlaubten. An den Wänden befand sich eine Holzvertäfelung, die das ungeschulte
Auge in der zweiten Hälfte des einundzwanzigsten Jahrhunderts nicht von einer
dunkel gebeizten Eiche des achtzehnten Jahrhunderts unterscheiden konnte.
Kreisrunde Tischchen standen, an den Schnittpunkten einer imaginären Wabenstruktur
verankert, die sich durch die gesamte Lounge zog, wie zufällig hingestreut.
Rund um diese waren in Gruppen von zweien, dreien oder auch vieren schwere
Fauteuils angeordnet, deren Bezug braunes Leder imitierte. Rechts neben dem
Eingang, auf der den Panoramafenstern gegenüberliegenden Seite, erstreckte sich
die Theke der Bar, die beinahe die halbe Länge des Raums einnahm. Daneben
sprang eine Einfassung hervor, in deren Öffnung so etwas wie Holz zu liegen
schien, aber Robert wusste, dass dies nur eine Täuschung sein konnte. Ein Ding
dieser Bauart hatte er noch nie gesehen und er konnte sich auch absolut nicht
vorstellen, was es wohl für einen sinnvollen Zweck erfüllte. Imposant, schwarz
und beängstigend flutete das All durch die überdimensionalen Fenster, als er
die Lounge betrat.
    Um der Unflexibilität des Alters entgegenzukommen, wählte
Robert denselben Tisch wie am Tag zuvor und setzte sich mit dem Rücken zu den Fenstern.
Sein Interesse galt ohnehin den Dingen, wohlgeformt und proportioniert, die
sich rund um die Bar abspielten. Vorweg zur Beruhigung bestellte er einen
doppelten Single Malt schottischer Herkunft. Er wusste allerdings nicht, ob dieser
nun wirklich aus Schottland stammte oder nur eine exzellente synthetische Kopie
war. Es war eben unmöglich auf allen Gebieten ein Experte zu sein. Robert nahm
gerade seinen ersten Schluck, als der Alte die Lounge betrat. Er schien keine
Eile zu haben. Lehnte sich an die Theke, wechselte ein paar Worte mit der
Kellnerin, fixierte im Weitergehen einen Tisch mit zwei jungen Damen –
vermutlich Auswanderinnen.
    Diese erkannte Robert sofort an ihrem einzigartigen Erbgut,
was soviel hieß wie, sie sahen nicht nur ausgesprochen attraktiv aus, um das
Männchen erst anzulocken, sondern hatten auch einen gesunden und muskulösen
Körperbau, für den Fall, dass sie dieses nach der Paarung töten und für das Fortkommen
des Nachwuchses allein sorgen mussten. Am Tisch daneben saßen drei junge
Männer. Auswanderer. Robert schätzte, dass sie ausnahmslos einen Kopf größer waren
als er und mit ihren gut doppelt so breiten Schultern machten sie einen sehr
stabilen und robusten Eindruck. Vermutlich wollte man es den Weibchen auch nicht
zu einfach machen. – ›Survival of the fittest‹ war wieder einmal das Schlagwort,
und Robert versuchte nicht daran zu denken, in welchem frühzeitigen Stadium
wohl seine eigene zarte und schmächtige Gestalt in dem Kampf ums Überleben auf
einem fremden Planeten ausscheiden würde.
    Ob ihm sein ausgezeichneter Geruchssinn, der in einer für
einen Mann etwas zu stupsigen Nase steckte, eine Hilfe wäre?
    Als hätte er sein Schamgefühl verloren – aber vermutlich
hatte er nie eines besessen – schmachtete der Alte die beiden jungen Dinger an,
sprach mit ihnen und brachte sie mehrmals zum Lachen. Robert spürte Zorn in
sich aufsteigen. Als er die Ursache für dieses Gefühl zu ergründen suchte, fand
er zu seinem Entsetzen, dass er dem Alten gegenüber Neid empfand, da dieser bei
Frauen doch so viel besser anzukommen schien als er selbst. Der Alte musste
beinahe sechzig Jahre älter sein als Robert, doch seinen Humor, seine
Bewunderung und seine Wertschätzung für das schöne Geschlecht hatte der Greis offensichtlich
in all den Dezennien nicht eingebüßt. Genießerisch tauchte er in das Bad aus
faltenlosem, jungem Lachen ein. Schließlich schlenderte er auf Roberts Tisch
zu.
    »Guten Abend, junger Freund«, sagte der alte Mann
gutgelaunt. »Ich habe sie anfangs gar nicht gesehen.«
    Das wundert mich nicht. Nur Augen für die jungen Frauen. Eine
Schwäche, die Robert all zu gut verstand.
    Schwer ließ sich der Alte in den Fauteuil neben ihm fallen.
Gleich darauf brachte die aufmerksame Bedienung das Bier, das er offensichtlich
schon an
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