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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)
Autoren: Harald Muellner
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Journalisten. Wie sollte er sonst seine Wortmeldungen deuten? Meinte
er sie ernst oder wollte er ihn nur aus der Reserve locken, ihn verunsichern, lächerlich
machen, als Idioten hinstellen? Konnte er Journalisten im Allgemeinen oder ihn im
Besonderen nicht leiden? Doch warum sollte er, falls Letzteres zuträfe, überhaupt
hier mit ihm sitzen und ihm Geschichten erzählen?
    »Der Mond«, begann der Alte sachlich und unterbrach damit
Roberts kreisende Gedanken, »kreist um die Erde. Logisch. Dabei weist immer
dieselbe Seite des Mondes zur Erde. Landen wir nun auf der der Erde abgekehrten
Seite, kann man die Erde von dort nicht sehen und ergo auch keine Funksignale
zu den Bodenstationen schicken. Klar? Dazu benötigt man die Satelliten, als
Zwischenstationen, die die Signale weiterleiten.«
    »Sie gäben einen vorzüglichen Lehrer ab«, versuchte Robert
zu schmeicheln. »Ich denke, ich verstehe das Prinzip.«
    »Sehr schön«, schmunzelte der Alte und neigte seinen Kopf
zur Seite. »Was die Saturn V auf der Erde betrifft, wäre es ein Leichtes gewesen,
ein paar Stahlzylinder zusammenzuschweißen, diese mit viel Weiß und ein wenig
Schwarz anzupinseln, und sie statt einem flugtüchtigen Original in irgendeinem
Museum abzuliefern.«
    »Hm?«, machte Robert.
    »Glauben Sie’s nicht?«
    »Ich weiß es nicht. Irgendwie sind mir zu viele Bedingungen
an das Gelingen einer Vertuschungsaktion dieser Größenordnung geknüpft.«
    »Ja, da stimme ich Ihnen zu. Aber bedenken Sie, an einen
Mondflug sind nicht weniger Bedingungen geknüpft, die alle – ausnahmslos alle –
erfüllt werden müssen, damit Sie überhaupt eine überlebende Crew haben, die Sie
nach ihrer Rückkehr entsprechend feiern können.«
    Schon die ganze Zeit über hatte Robert die Kellnerin im
Verdacht, dass sie mit ihm kokettierte, da sie ständig an ihm vorbeiging,
obwohl es gar nicht der kürzeste Weg zu den Tischen ihrer Gäste war. Er hatte
sein Bier zwar erst zur Hälfte ausgetrunken und konnte doch dem zwanghaften
Drang nicht widerstehen, das nächste zu bestellen. Viel zu verlockend war der wunderbare
Anblick ihres Dekolletes, wenn sie ihm sein Getränk brachte und vor ihm auf dem
Tisch abstellte. Die Lounge war zwar nicht die billigste Möglichkeit, hier auf
dem Schiff zu einem Drink zu gelangen, doch dafür war das Personal hier noch
aus Fleisch und Blut; und wie im Fall der Kellnerin noch dazu aus äußerst
attraktivem.
    Sie war noch hübscher, wenn auch ganz offensichtlich älter
als seine letzte Freundin, mit der er eine Beziehung hatte, die über die
magische vierzehn Tage Grenze hinausging. Sabrina. Aber das musste doch schon
mindestens – er überlegte – vier Jahre her sein. Sie war ein ausgelassenes
Energiebündel, braunhaarig wie die Kellnerin auch. Hatte einen Abschluss in
englischer Literatur und Geschichte. Wie oft hatte sie ihn geneckt und ihm vorgeworfen,
er könne nicht recherchieren – zumindest nicht richtig. Er fände bei seinen Nachforschungen
nur belangloses Zeug, er ginge an den wirklich spannenden Fakten vorbei, weil
er nicht in der Lage wäre, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Er liebte
sie und sie ihn. Zumindest dachte er das. Von einem Tag auf den anderen hat sie
ihm dann offenbart, dass sie ihn verlasse, wegen eines Mr Erfolgreich, eines Mr
Wichtig, eines Mr Unverzichtbar – eines Mr Arschloch, wie Robert ihn beinahe vorurteilsfrei
nannte. Sein Kopf begann bei dem Gedanken zu schmerzen. Vielleicht lag der
Grund in seinem Trennungsschmerz, vielleicht auch in seiner immer noch
vorhandenen Liebe zu ihr, womöglich aber simpel und profan in seiner
Persönlichkeit, dass er fortan schrieb wie der Teufel. Er gewann einen
Journalistenpreis nach dem anderen; für die beste Kolumne über eine rezessive
Weltwirtschaft, für die gewagte Theorie, die sich allerdings jedes Dezennium
einmal zu bestätigen schien, dass Börsencrashes im Durchschnitt alle zehn Jahre
vorkommen, für sein aussagekräftiges Buch über die asoziale Sozialpolitik
großer Staatenvereinigungen, um nur einige zu nennen. Aufgrund seiner Jugend
und seiner beeindruckenden Zahl an Preisen und Auszeichnungen war es dann nur
noch eine Formsache gewesen, dass er diesen Job bekam. Dass er in seinem
gesamten Leben noch nie etwas mit Technik oder Raumfahrt zu tun gehabt, schon
gar nicht darüber geschrieben hatte, schien in diesem Fall niemanden zu
interessieren. Also warum sollte es ausgerechnet ihn tangieren? Es war die
richtige Entscheidung gewesen, diesen Job
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