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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition)
Autoren: Margot S. Baumann
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Doch sie bekam einen unsanften Stoß von ihrem Hintermann in den Rücken und stolperte den anderen nach, die bereits von der Bühne gingen.
    Ein wildes Geschnatter erhob sich in der Garderobe. Jeder wollte erzählen, was falsch gelaufen war und was man bei der nächsten Vorstellung besser machen könnte. Gelächter erschallte, als Nick zum Besten gab, wie er vergeblich nach Brigittes Hand getastet hatte, um ihr diese galant zu küssen, aber nur ihr Kleid zu fassen bekommen hatte. Anouk lächelte und wischte sich das Make-up vom Gesicht. Alle waren aufgedreht und übermütig. Die ganze Truppe wollte sich anschließend noch in der Bar treffen, die vor dem Schloss in einem Zelt eingerichtet worden war. Max kam hereingehumpelt, und alle johlten.
    »Übertreibt es nicht, Leute«, sagte er und hob die Hände. »Ihr seid die Helden.«
    »Kommt ihr?« Evi, die im Stück die Elisabeth, die junge Amme, gespielt hatte, stand wartend unter der Tür.
    »Geht schon voraus«, erwiderte Anouk, »wir kommen gleich nach!«
    Die Schauspieler nickten und schoben sich gegenseitig nach draußen. Max setzte sich mit einem Stöhnen neben Anouk und strich ihr eine Locke hinters Ohr.
    »Du warst toll, mein Herz. Ich bin stolz auf dich.« Er küsste sie auf die Wange. Dann schaute er ihr aufmerksam ins Gesicht. »Ist was?«
    Anouk schob die Tiegel auf dem Holztisch hin und her, als Nächstes holte sie tief Luft.
    »Ich war doch noch beim Pfarrer«, sagte sie.
    Max nickte. »Ich weiß, seine Frau ist zu mir an den Wagen gekommen und richtete mir aus, dass es doch noch etwas länger dauern und ihr Mann dich dann nach Hause bringen würde. Wieso, ist etwas passiert?«
    Anouk stand auf und trat ans Fenster. Die letzten Lichter waren erloschen, und die Bühne versank im Dunkeln. Von draußen hörte man Gelächter. Anouk wandte sich um.
    »Er zeigte mir ein Buch. Ein sehr altes Buch. Es gehörte ursprünglich Gerold von Hallwyl.«
    Max riss die Augen auf. »Tatsächlich? Wo hat er das denn her? Und was stand drin?«
    Anouk setzte sich. Sie kuschelte sich in Max’ Arme und genoss die Wärme, die von seinem Körper ausging.
    »Der Pfarrer meinte, es sei ein Zauberbuch. Also mit Beschwörungsformeln und anderen okkulten Sprüchen. Das meiste davon war in lateinischer Sprache abgefasst, und er wollte mir die Zeilen nicht übersetzen.«
    Max grinste. »Kluger Mann.«
    Anouk nickte lächelnd. »Auf den letzten Seiten war das Buch jedoch ganz anders … ebenso die Schrift. Keine Formeln mehr sondern Gedichte, kleine Bilder und Tagesaufzeichnungen.«
    »Ah, ja?« Max ließ seine Zunge an ihrem Hals entlanggleiten. »Und wer war der Verfasser?«
    Anouk bekam eine Gänsehaut. »Es war Huldrich Erismanns Tagebuch.«
    Max hielt in seinem Tun inne. »Und?« Seine Stimme klang angespannt.
    Anouk drehte ihren Kopf und küsste ihn. »Er hat alles aufgeschrieben, was damals passiert ist«, sagte sie und verschränkte ihre Finger mit den seinen. Sie spürte, wie Max den Atem anhielt. »Später, während seines Theologiestudiums in Bern. Désirée hatte einen Unfall. Sie war krank und hatte Fieber. Huldrich war zu der Zeit noch ein Kind. Er sah, wie die Kleine aufs Fensterbrett kletterte und nach den Schneeflocken grapschte. Er hat nach ihr gerufen, da hat sie sich erschreckt, das Gleichgewicht verloren und ist in die eisigen Fluten gestürzt. Sie ist ertrunken. Er hat es nie jemandem erzählt. Er hatte Angst, dass man ihn dafür zur Rechenschaft ziehen würde. Die Leiche des Mädchens wurde nie gefunden.«
    Max räusperte sich. »Armes Kind.« Anouk nickte, obwohl sie nicht wusste, von welchem Kind er sprach. »Und Bernhardine?«
    Er liebkoste Anouks Nacken, und sie bekam eine Gänsehaut.
    »Sie hat Selbstmord begangen.«
    »Es war also kein Mord.« Max’ Stimme war die Erleichterung anzuhören. Anouk zögerte einen Moment. Sie hatte mit dem Pfarrer abgemacht, das Buch im Kirchenarchiv zu lassen. Dort würde es keinen Schaden anrichten. Und wenn sie jetzt schwieg, würde niemals jemand erfahren, was damals wirklich passiert war. Doch in diese Geschichte waren auch Max’ Vorfahren verwickelt. Außerdem hatte Bernhardine die volle Wahrheit verdient. Zu lange hatte das Lügengespinst um ihre Person schon bestanden.
    »Nein, Mord war es nicht«, sagte sie leise, »zumindest nicht im eigentlichen Sinn.«
    Und dann erzählte sie ihm, wie Huldrich Bernhardine auf den Zinnen entdeckt hatte. Dass er nicht gewusst hatte, was er tun sollte, und deshalb den einzigen Menschen
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