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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition)
Autoren: Margot S. Baumann
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dann beiseite. Valerie und Max taten es ihm gleich. Anouk hatte eine weiße Rose in der Hand. Sie drückte einen Kuss auf die zarten Blätter und warf die Blume ins Grab.
    »Ruhe in Frieden, Bernhardine.«
    Dann griff Anouk in ihre Handtasche und zog den Anhänger mit dem Bergkristall hervor. Sie hielt ihn einen Moment in der Hand, doch weder erwärmte er sich, noch sah sie ihn wie schon einmal aufleuchten; er war nur ein lebloser Stein. Sie hatte die Hand schon erhoben, um ihn ebenfalls ins Grab zu werfen, zögerte dann aber und verstaute ihn schließlich wieder in ihrem Beutel. Sie würde ihn behalten, als Andenken.
    Es war bereits vier Uhr nachmittags. Die Premiere fing um sieben an, sie mussten sich also beeilen.
    »Frau Morlot?«
    Der Pfarrer hatte mit Valerie noch ein paar Worte gewechselt, die danach eine Freundin im Dorf besuchen wollte. Jetzt lief er Max und Anouk hinterher und erreichte sie, als sie eben das Friedhofstor öffneten.
    »Herr Pfarrer?« Anouk blickte über die Schulter. »Ist noch etwas?«
    Der Geistliche nickte. »Hätten Sie kurz Zeit?«
    Anouk schaute auf ihre Armbanduhr und dann zu Max.
    »Es reicht schon noch. Geh ruhig«, sagte der, »ich warte dann im Wagen auf dich.«
    Sie gingen an den Grabreihen entlang zum Pfarrhaus, und Anouk schaute sich ängstlich nach angriffslustigen Krähen um. Doch weit und breit erblickte sie keine einzige. Fast schien es, als hätten sich die schwarzen Galgenvögel nach Bernhardines Begräbnis in Luft aufgelöst.
    »Ich will ja nicht drängen«, wandte sich Anouk an den Pfarrer, »aber ich muss mich noch schminken, kostümieren und …«
    »Es dauert nicht lange.« Der Geistliche ließ Anouk eintreten. Sie durchquerten eine gemütliche Küche und gingen in die angrenzende Wohnstube. »Hier«, sagte er und deutete auf den Tisch. »Das lag in Ruflis Wagen. Die Polizisten hielten es für ein gestohlenes Kirchenregister und gaben es meiner Frau. Ich bin nicht sicher, was ich damit tun soll. Es … aber sehen Sie selbst.«
    Das Buch war in braunes Leder eingeschlagen. Auf dem Einband prangten seltsame Schriftzeichen. Die Seitenränder waren schmutzig und zerfleddert, als wären sie von unzähligen Händen berührt und umgeblättert worden. Anouk sah den Pfarrer erstaunt an.
    »Ich verstehe nicht«, sagte sie.
    »Schauen Sie sich die erste Seite an … und dann die letzte.«
    Er trat an den Tisch und schlug den Wälzer auf. Anouk beugte sich über die vergilbten Seiten, hob dann wieder den Kopf und starrte den Pfarrer verblüfft an. Der nickte nur und blätterte auf die letzte Seite. Dort wies er mit dem Finger auf eine Stelle, und Anouk stieß einen spitzen Schrei aus.

26
    Seengen, 2010
    D er Schlosshof war bis auf den letzten Platz besetzt. Man hatte bereits zusätzliche Stühle und Sitzbänke aufgestellt, doch es strömten noch immer Besucher über die Brücke in den Innenhof.
    Anouk hockte in ihrer Berta-Tracht in der Garderobe und versuchte, ihr Lampenfieber im Zaum zu halten.
    »Ich schaff das«, murmelte sie, »problemlos. Es sind ja nur zwei Sätze. Und nach rechts von der Bühne abgehen. Rechts! Gott, ich muss aufs Klo!«
    Sie sprang auf, schubste Brigitte beiseite und schlüpfte durch die Tür. Als sie das murmelnde Publikum sah, blieb sie wie versteinert stehen. Ach du lieber Himmel! Ihr Magen machte einen Satz, und sie schlug sich die Hand vor den Mund.
    Auf einem gepolsterten Stuhl unweit der Bühne saß Max und sprach mit dem Beleuchter. Als er sie erblickte, hob er den Daumen in die Höhe. Anouk versuchte zu lächeln. Max hatte es gut, er musste sich ja auch nicht den Geiern zum Fraß vorwerfen lassen. Die kamen sicher alle nur, um diejenige zu sehen, die ein altes Skelett gefunden hatte. Das ehemalige Topmodel, die Hobbydetektivin, die Schweizer Miss Marple oder wie sie Anouk sonst noch in den Boulevardblättern nannten. Alles Hyänen, die auf Beute lauerten. Sie atmete noch einmal tief durch. Jetzt ging sie aber wirklich zu weit! Das hier waren doch alles nur völlig harmlose Dorfbewohner. Sie erkannte Tati, die in der zweiten Reihe saß und sich erneut in ihr Sahnebaiser-Kleid gestürzt hatte. Der Metzger, die Frau vom Quartierladen und selbst der Pfarrer waren gekommen. Alles ganz normale Leute aus Seengen und der näheren Umgebung, die einfach einen netten Abend verbringen wollten. Und seit wann machte sie sich eigentlich solche Sorgen um ihren Ruf?
    Heute Morgen erst hatte sie sich wieder an das Einschreiben erinnert, das ihr zugestellt
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