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Die Frau im Rueckspiegel

Die Frau im Rueckspiegel

Titel: Die Frau im Rueckspiegel
Autoren: Julia Arden
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lediglich eine Zweckgemeinschaft. Die leider allzuoft durch auseinandergehende Meinungen geprägt war. Allerdings, was das Geschäft mit den Norwegern anging, waren sie sich zur Abwechslung mal einig gewesen. Deshalb hatte sie Marius die Verhandlungen allein überlassen. Auch um ihm das Gefühl zu geben, daß sie ihm vertraute. Ein Versuch, das angespannte Verhältnis zu Marius etwas zu entkrampfen.
    Die Norweger waren jetzt mit Christiane auf dem Weg zum Flughafen. Rebecca seufzte erneut. Mit der Frau hatte sie sich eine Plage eingehandelt. Normal hatte Rebecca nichts gegen aufrührerische Angestellte. Sie hielt sogar mehr von ihnen als von den ängstlichen Typen. Obwohl durch die Aufrührerischen zusätzliche Probleme entstanden. Aber aus Problemen entstanden oft auch Gelegenheiten. Nur, welche Gelegenheit sollte ihr eine aufrührerische Fahrerin verschaffen? Da blieb es doch mehr bei den Problemen! Dennoch konnte Rebecca sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, in Erinnerung daran, wie Christiane von der Rückbank der Limousine rutschte, als sie diese nach dem Essen mit den Norwegern schlafend überraschte.
    Und gib zu, du hast sie einen Moment betrachtet, bevor du sie hochgescheucht hast!
    Die hohen Wangenknochen, der schmale Mund, die etwas zu lange Nase. Im Schlaf wirkte Christianes Gesicht entspannt, fast weich. Im Wachzustand dagegen nahm es eher eigenwillige Züge an, auch wegen des über die Augen fallenden langen Ponys.
    Gib ihr ein paar Tage, sich einzugewöhnen. Eine Chance hat sie immerhin verdient.
    Rebecca schaute auf die Uhr. Was war eigentlich mit Johnson? Sie ging zur Tür, öffnete sie, schaute ins Vorzimmer. »Anita?«
    Anita war nicht zu sehen. Wahrscheinlich räumte sie das Konferenzzimmer auf. Also konnte sie die nicht fragen, ob Johnson sich gemeldet hatte, während sie in der Konferenz mit den Norwegern war. Aber Anita wußte, daß sie auf den Anruf wartete, und hätte ihr Bescheid gegeben, als sie ins Büro zurückkam. Dann gab es aus Vancouver wohl nichts Neues.
    Rebecca ließ die Tür offen, damit sie hörte, wenn Anita zurückkam, und ging zurück zu ihrem Schreibtisch. Sie rief bei einem der drei Kapitäne in Marseille an und erfuhr, daß die spanische Hafenarbeitergewerkschaft von unbefristetem Streik sprach. Kein Kran bewegte sich, die Shuttlezüge standen bewegungslos auf den Gleisen der Containerterminals, kein einziger Containertruck rollte. Diese Nachricht trübte Rebeccas Freude über den Abschluß mit den Norwegern erheblich. Für die Terminfrachten zählte der Zeitpunkt der Löschung der Fracht, nicht die Ankunft im Hafen. Es kamen Vertragsstrafen auf die Reederei zu. Damit nicht genug, verdammte der Streik die Besatzungen der Schiffe zur Untätigkeit. Abgesehen von kleinen Reparaturen und Wartungsarbeiten konnten die Leute nichts machen. Und was wurde aus den Folgeaufträgen? Die gerieten natürlich ins Hintertreffen. Um die verlorene Zeit aufzuholen, mußte hinterher mit höherer Maschinenkraft gefahren werden, zu Lasten der Treibstoffkosten und . . .
    Das Telefon im Vorzimmer klingelte. Rebecca stand kurzentschlossen auf, ging hin und nahm ab.
    »Anita!?« hörte sie Christianes aufgeregte Stimme. Rebecca wollte den Irrtum aufklären, doch Christiane redete schon weiter. »Sagen Sie nichts, falls sie vorbeikommt. Hören Sie nur zu.«
    Rebecca verzog spöttisch die Mundwinkel, denn was immer sie nicht wissen sollte, erfuhr sie gerade aus erster Hand.
    »Ich bin in eine Polizeikontrolle geraten. Eine dieser sinnlosen Fahrzeugpapiere-, Warndreieck-, Erste-Hilfe-Kasten-Kontrollen. Reine Schikane. So was in der Art habe ich auch vor mich hin gemurmelt, während ich suchte. Dummerweise rutschte mir beim Hinweis des Polizisten, daß diese Dinge immer schnell zur Hand sein sollten, die Bemerkung heraus, daß die Herren Beamten ja wohl genug Zeit hätten, wenn sie diese mit derartigen Kontrollen vertaten. Na ja, ein Wort gab das andere, und jetzt sitze ich auf der Polizeiwache. Die lassen mich hier schmoren, um mir eins auszuwischen. Ich schaffe es garantiert nicht bis achtzehn Uhr. Anita, Sie müssen es der Chefin beibringen. Sagen Sie aber um Gottes willen nicht, was passiert ist. Sagen Sie, ich stehe im Stau, oder die Straße ist wegen eines Wasserrohrbruchs gesperrt oder wegen einer drohenden Gasexplosion. Irgend etwas.«
    »Wie wäre es mit einem Erdrutsch?« fragte Rebecca trocken zurück.
    Schweigen am anderen Ende.
    Rebecca feixte in sich hinein. »Oder einer Windhose?«
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