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Die Frau im gepunkteten Kleid

Die Frau im gepunkteten Kleid

Titel: Die Frau im gepunkteten Kleid
Autoren: Beryl Bainbridge
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in England; in den Staaten dachte man da anders.
    Das Haar vom Regen platt gedrückt, starrte sie in das überfüllte Innere eines Cafés und sah einen Mann in einem Freizeithemd ein Streichholz anzünden. Alle anderen Tische waren voll besetzt, nur er saß allein vor zwei leeren Stühlen. Ihr fiel ein, was ihre Mutter in Marshal’s Tea Room in Southport gemacht hatte, und sie ging hinein und stellte sich neben ihn, scheinbar damit beschäftigt, die Speisekarte an der Wand hinter der Theke zu studieren. Mutter hatte ihr versichert, dass ein solcher Annäherungsversuch niemals fehlschlug, solange man den richtigen Kerl wählte – andererseits hatte sich Mutter aber auch nur nach einem Gespräch gesehnt.
    Als sie sich umdrehte, stieß sie gegen den Stuhl des Mannes und entschuldigte sich überschwänglich, wobei sie ihren englischen Akzent übertrieb. Es funktionierte, und er lud sie ein, sich zu setzen. Obwohl
sie aussah wie eine Wasserleiche, merkte sie, dass sie sein Interesse erregte; er war alt und behaart und offenbar gewohnt, dass Frauen ihm die kalte Schulter zeigten. Er fragte, ob er sie zu einem Drink einladen dürfe, und sie sagte Ja, zu einem Whisky, nur einem kleinen. Dann bot er ihr eine Zigarette an. Rose gestand, dass sie sich eigentlich nichts draus mache, aber eine würde sie nehmen, um ihm Gesellschaft zu leisten. Von seinem Hals baumelte an einer Kette eine große Medaille, aber da er ständig daran herumfingerte, sah sie nicht, was draufstand.
    Der Mann hieß Walter Fedler und besaß Rennpferde. Er schien ganz und gar aus Haaren zu bestehen. Es wellte sich auf seinem Kopf und wuchs ihm über die Ohrspitzen; Augenbrauen, Wimpern, Wangenknochen, alles war dunkel und voll zitternder schwarzer Haarbüschel. Er war gekommen, um sich hier mit einem Typen zu treffen, der eine zweijährige Stute kaufen wollte. Er selbst hatte im Augenblick keine, wusste aber, wo es eine gab. Er hatte den Kerl zufällig letzte Woche in Los Angeles kennengelernt, als er mit seinem Laster an der Ampel am Wilshire Boulevard wartete. Der Typ stand auf dem Gehsteig und sprach mit einem älteren Mann, und als die Ampel umsprang, hob er die Hand und fragte, ob er bis zum Plaza Hotel mitfahren könne.
    »Wir unterhielten uns darüber, dass er Jockey ist und in Jordanien geboren – ein Zufall gewissermaßen, denn meine Frau und ich haben schon lang vor,
Urlaub in Jerusalem zu machen. Wie er sagt, dass er sich eine Stute kaufen will, sag ich, ich weiß eine für ihn, für vielleicht dreihundertfünfzig Dollar, und da sagt er, dreihundert wären für ihn die Obergrenze.«
    »Das ist wahnsinnig interessant«, sagte Rose, »aber irgendwie krieg ich davon Lust, zu rauchen.« Er gab ihr sofort noch eine Zigarette.
    Mr Fedler freute sich über ihre Anteilnahme und fuhr mit seinem Monolog fort. Er wusste alles über Pferde, weil er in seiner Jugend als Stallbursche gearbeitet hatte. Dann war er als Schlagzeuger in Tommy Dorseys Band mitgereist, hatte aber aufhören müssen, weil ihm von dem Getrommel die Handgelenke anschwollen.
    Danach fand er in Pasadena eine Stelle in einer Buchhandlung, die sich auf Okkultismus spezialisiert hatte, und so kam es, dass er das Hypnotisieren erlernte und schließlich Korea-Veteranen mit Kriegsneurose behandelte. Jetzt saß er im Vorstand des American Institute of Hypnosis, ein einflussreicher Posten.
    Er hatte noch immer mit der medizinischen Praxis zu tun, da er sein Wissen an andere weitergab. Ein Hypnotiseur müsse sich konzentrieren können und an sich selbst glauben. Den Kerl, auf den er warte, könne man im Handumdrehen hypnotisieren. »Wenn man Sirhan sagt, er soll was tun, egal was, dann tut er es.«
    »Donnerwetter«, sagte Rose.

    Er beugte sich vertraulich vor und blies ihr seinen Atem ins Gesicht. »Wetten, dass ich jeden Einzelnen hier im Raum in weniger als fünf Minuten hypnotisieren kann?«
    Während sie in seine blutunterlaufenen Augen blickte, war sie versucht, zu sagen, er solle nur loslegen, aber in diesem Augenblick erschien der Mann, auf den er wartete. Es war der Gelbe Pullover, nur dass er diesmal eine schwarze Lederjacke trug.
    Obwohl er Rose weder ansah noch direkt ansprach, merkte sie, dass er sie wiedererkannte. Sicher war er Frauen gegenüber furchtbar schüchtern, weil er aus Arabien stammte, überlegte sie. Den arabischen Männern wurde ja beigebracht, dass Frauen minderwertig und nur für Sex von Bedeutung sind, und wenn sie fromm waren, mussten sie den verunreinigenden
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