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Die Frau im gepunkteten Kleid

Die Frau im gepunkteten Kleid

Titel: Die Frau im gepunkteten Kleid
Autoren: Beryl Bainbridge
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Kontakt meiden. Allerdings sagte er auch zu Fedler nicht viel, nickte nur häufig, während der Alte vom Zustand und Wert der Stute schwafelte. Als Fedler aufstand und zur Toilette ging, begann der Gelbe Pullover mit den Fingern auf den Tisch zu trommeln.
    »Das war nett von Ihnen, dass Sie mir neulich eine Zigarette gegeben haben«, sagte Rose und hoffte, er würde ihr wieder eine anbieten. Das tat er nicht, und er antwortete auch nicht, sondern klopfte nur weiter aufgeregt vor sich hin. Sie lächelte ihn an, aber er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und starrte gegen die Decke. Das Schweigen hielt an, sie rutschte
nervös hin und her und überlegte, was sie sagen könnte. Plötzlich setzte er sich auf, feuchtete sich die Lippen an und fragte: »Sie waren schon mal hier?«
    »Nein«, sagte sie. »Hier nicht, nein.«
    »Sie haben viel Geld?«
    »Nein«, sagte sie, »fast gar keins.«
    »Sie sind zufrieden mit Ihrem Urlaub?«
    »Es ist kein Urlaub«, korrigierte sie. »Ich suche jemanden.«
    »Die schulden Ihnen Geld?«
    »Nein«, sagte sie, »so einer ist er nicht.«
    »Sie haben sich oft gesehen?«, fuhr er beharrlich fort.
    Sie antwortete: »Seit Jahren nicht, aber das macht nichts, weil er mich versteht.« Sie hätte das noch weiter ausgeführt, wenn Fedler nicht zurückgekommen wäre.
    Die beiden Männer brachen fast sofort auf, denn Fedler wollte dem Gelben Pullover möglichst bald die Stute zeigen. Rose überlegte, ob sie ihnen folgen sollte, besann sich aber eines anderen. Das hätte ausgesehen, als suche sie verzweifelt Anschluss, und das war nicht der Fall. Sie brauchte etwas Ruhiges, einen Ort, an dem sie sich auf das konzentrieren konnte, was geschehen würde, wenn sie wieder mit Dr. Wheeler zusammen war. Sie fragte die Kellnerin, ob es in der Nähe eine Kirche gebe, und erfuhr, sie müsse nach links gehen, vorbei an einem weiter unten parkenden weißen Laster.

    Die Kirche war klein, eingezwängt zwischen ein Beerdigungsinstitut und ein Möbelgeschäft. Über der Tür hing eine Gipsstatue unseres Herrn, dem am linken Fuß die Zehen fehlten; er hielt die Hand in einer segnenden Geste erhoben. Schade, dass es draußen keinen Friedhof gab, so wie den, durch den sie vor all den Jahren mit Dr. Wheeler geschlendert war. In Gegenwart der Toten, hatte er gesagt, sei man sich viel mehr bewusst, dass man lebe.
    Die Kirche war leer bis auf einen knienden Mann und eine Frau mit Hochfrisur, die vor einem Bild der Jungfrau Maria eine Kerze anzündete. Der betende Mann hatte einen schlimmen Husten. Einmal war Rose in einer Kirche von einem Mann abgeschleppt worden. Als sie das Dr. Wheeler erzählte, musste er lachen und sagte, der Mann habe bestimmt geglaubt, seine Gebete seien erhört worden.
    Rose kniete sich nicht hin, sondern lümmelte sich in eine Bank und starrte zum Altar. Gedanken und Fragen überschlugen sich in ihrem Kopf. Wenn sie aus Amerika zurückkam und Polly und Bernard sie nach ihren Eindrücken fragten, würde ihr die Antwort nicht leichtfallen; die Meilen waren wie ein Wasserfall an ihr vorbeigestürzt, ein Strudel aus sonnenversengten Tagen. Vermutlich konnte sie was von Mr Nixon schwafeln und wie unfair es sei, dass Mr Kennedy – der John F. – ihm mit seinem Reichtum das Präsidentenamt weggeschnappt hatte; aber sie war sich nicht ganz sicher, ob sie die Fakten
richtig zusammenbekam. Sie konnte mit ein paar Ortsnamen aufwarten … Chicago, Yellowstone Park, Wanakena … und diese Stadt, wo Harold sich in der Bank in die Hose gemacht hatte, aber viel mehr nicht. Sinnlos, von der Pistole an ihrem Kopf zu berichten, sie würden sie nur eine Lügnerin schimpfen, so wie damals, als sie erzählt hatte, dass Vater sie aus dem Fenster gehalten hatte, weil sie ihn einen Scheißkerl genannt hatte. Was geschah wohl, wenn sie nach Los Angeles kam … wie würde Dr. Wheeler reagieren? Was, wenn er vorschlug, sie solle bleiben und sich eine Stelle suchen oder sogar für ihn arbeiten, wenn er sie in einer hübschen Wohnung mit eigenem Bad unterbrachte? Natürlich würde sie nicht zulassen, dass er die Miete bezahlte, das wäre verkehrt, auch wenn er es sich leisten konnte. Mit ihrem englischen Akzent würde sie leicht Arbeit in einer Buchhandlung finden … in so was war sie gut. Sie wusste nicht genau, welcher Beschäftigung Dr. Wheeler nachging, aber sie konnte die Gastgeberin spielen, wenn er eine Dinnerparty gab, oder einfach nur die Tür öffnen und den Gästen Mäntel und Hüte abnehmen … sie
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