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Die Frau im gepunkteten Kleid

Die Frau im gepunkteten Kleid

Titel: Die Frau im gepunkteten Kleid
Autoren: Beryl Bainbridge
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Stufen zur Bühne hinaufstieg. In dem Versuch, den Lärm zu dämpfen, machte
er beschwichtigende Gesten und sprach ins Mikrofon, doch ohne große Wirkung. Die Menge kreischte nur noch lauter. »Ihr könnt mich nicht hören«, schrie er. »Kriegen wir bitte was, das funktioniert … können wir …« Jetzt wurde seine Stimme lauter, obwohl er brüllen musste, um über dem anhaltenden Tumult gehört zu werden. Mehrmals gingen seine Worte unter.
    »Ich glaube … ich glaube, es ist klar, dass wir letztlich zusammenarbeiten können … die Gewalt, die Enttäuschung über unsere Gesellschaft … die Spaltung, sei es in Schwarz und Weiß, in Arm und … über den Krieg in Vietnam … Wir sind ein großes Land, ein mitfühlendes … und ich gedenke dies zu meiner Grundlage zu machen … wir können anfangen zusammenzuarbeiten.«
    Harold ging von der Tür weg und bedeutete ihr mit Zeichen, vom Stuhl zu steigen. Sie war nicht selbstsicher genug, ihm zu trotzen. Er streckte eine Hand aus, um ihr zu helfen, aber den Gefallen tat sie ihm nicht. Ohne seinen Bart fehlte es ihm an Autorität. Übergangslos sagte er, sie solle bleiben, wo sie war, und ihm nicht folgen. Er habe etwas Wichtiges zu tun, es dauere nicht lange. Dann beugte er sich zu John Fury und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    Regungslos saß sie da und schaute zu, wie er wegging. Er kam noch einmal kurz zurück und klopfte ihr unbeholfen auf die Schulter. »Du siehst wirklich toll aus in diesem Kleid«, sagte er. »Hab ich dir das schon gesagt?«

    »Nein«, sagte sie, »hast du nicht.«
    »Wirklich toll«, wiederholte er, dann kniff er sie in den Arm und zischte: »Es ist am besten so. Wir alle suchen etwas.« Dann ging er Richtung Personalausgang, links vom Ballsaal.
    »Oder jemanden«, murmelte sie. Ein Stern aus Blut, zart wie eine Schneeflocke, schmolz auf ihrer Oberlippe.

Zeugin hört Frau rufen: »Wir haben ihn erschossen!«
    Von LA-Times-Reporterin Dorothy Townsend
     
    Los Angeles. Am Mittwoch überprüfte die Polizei die Aussage einer Mitarbeiterin von »Youth for Kennedy«. Die Zeugin berichtete, sie habe eine junge Frau aus dem Hotel laufen sehen, in dem Senator Robert F. Kennedy erschossen wurde; sie habe ein weißes, gepunktetes Kleid getragen und gerufen: »Wir haben ihn erschossen!«
    Miss Sandy Serrano, 20, meinte am Mittwoch, es tue ihr leid, »überhaupt etwas gesagt zu haben«, fügte aber hinzu: »Was ich gesehen habe, habe ich gesehen.«
    Etwa eine Stunde nach den Schüssen berichtete Miss Serrano in einem Fernsehinterview im »Ambassador«, sie sei auf die Terrasse gegangen, »um Luft zu schnappen«, weil es drinnen, wo Senator Kennedy seine siegesgewissen Worte gesprochen habe, so heiß gewesen sei.
    Während sie draußen auf den Stufen saß, sei eine Frau heruntergerannt und habe gerufen: »Wir haben ihn erschossen!« Bei ihr sei ein junger Mann gewesen, Miss Serrano zufolge wohl ein mexikanischstämmiger Amerikaner.
    Miss Serrano habe gefragt:
»Wen denn? Wen denn?« und die Antwort erhalten: »Senator Kennedy.«
     

     
    Sie habe die beiden schon früher am Abend zusammen mit einem anderen Mann gesehen; als sie aus dem Hotel rannten, befand sich dieser andere jedoch nicht bei ihnen.
    Die Frau, »eine Weiße«, habe ein helles, gepunktetes Kleid und schwarze Schuhe getragen, dunkles Haar gehabt und »eine komische Nase«.
    Ein Sprecher der Polizeibehörde sagte, Miss Serrano sei eine von mehr als einem halben Dutzend Personen, die unmittelbar nach den Schüssen vernommen worden seien. Miss Serrano ist Mitvorsitzende von »Youth for Kennedy« im Bezirk Pasadena-Altadena.
    Ein weiterer Zeuge, Booker Griffin, wollte am Mittwoch im Hotel kurz vor den Schüssen ein dunkelhaariges Mädchen in einem weißen Kleid gesehen haben, zusammen mit einem Mann, den er den »Mörder« nannte.
    Griffin, Vorsitzender der Ortsgruppe Los Angeles der Negro Industrial and Economic Union, sagte, er sei am Dienstag gegen 22.15 Uhr im Hotel eingetroffen und habe von Pierre Salinger einen Presseausweis erhalten. »Dann bin ich in den Presseraum gegangen, habe mit Freunden gesprochen und dort den Mörder und dieses Mädchen gesehen.« Den Mann neben der jungen Frau bezeichnete Griffin als »komischen Typen«.
     
    Los Angeles Times
    Donnerstag, 6. Juni 1968

Verlegerische Notiz
    Beryl Bainbridge stand kurz davor, Die Frau im gepunkteten Kleid zu vollenden, als sie am 2. Juli 2010 starb. Ihr langjähriger Freund und Verleger Brendan King veröffentlichte den
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