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Die Frau im Fahrstuhl

Die Frau im Fahrstuhl

Titel: Die Frau im Fahrstuhl
Autoren: Helene Tursten
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war. Sie stillte noch die kleine Sara. Olof und Lasse hatten den ganzen Tag am Steuer gesessen und konnten ebenfalls kaum noch die Augen offen halten.
    »Legt euch hin, den Abwasch besorge ich. Sonst gibt es morgen kein Geschirr zum Frühstücken«, meinte ich.
    Niemand widersprach, und die anderen drei stiegen ins Obergeschoss. Ich hörte auf der Toilette das Wasser rauschen. Im Übrigen leistete mir nur das Brummen des Kühlschranks Gesellschaft, während ich Wasser zum Spülen warm machte. Vor den Sprossenfenstern war in dieser regnerischen Nacht das Dunkel undurchdringlich. Summend begann ich zu spülen. Plötzlich merkte ich, dass jemand dicht hinter mir stand. Ich schwöre, ich spürte, dass mir jemand leicht seinen Atem in den Nacken blies. Zuerst glaubte ich, mein Mann habe sich wieder nach unten geschlichen und wolle mich auf den Hals küssen, und machte deswegen einen kleinen Schritt zurück. Wobei ich fast das Gleichgewicht verloren hätte, denn dort war keine muskulöse Brust zum Anlehnen. Die Glasveranda war leer.
    Mir standen die Haare zu Berge, und mein Herz pochte. Trotzdem gelang es mir, fertig zu spülen. Rasch eilte ich die Treppe hinauf und verschwand auf der Toilette. Dort erwartete mich der nächste Schock. Das entsetzte Gesicht, das mich aus dem gesprungenen Spiegel anblickte, konnte unmöglich mir gehören.
    In unserem Zimmer angelangt, erzählte ich Olof von meinem Erlebnis. Er seufzte und murmelte etwas wie: »… müde nach der Reise und überspannt wie immer.«
    Dann begann er zu schnarchen und zu schnaufen. Ich lag noch eine Weile wach und starrte in die Dunkelheit, aber schließlich übermächtigte mich die Müdigkeit, und ich fiel in einen bleiernen Schlaf.
    Am folgenden Tag drang die Sonne durch schwere Regenwolken, aber warm war es trotzdem nicht. Die Väter gingen mit Cecilia und Karin an den Strand. Die Mädchen trugen Regenhosen wegen der Nässe und gegen den Wind. Beide hatten neue Eimerchen, Schaufeln und Sandförmchen bekommen. Diese mussten natürlich eingeweiht werden, und was eignete sich da besser als feuchter Sand? Sie fanden das Wetter super.
    Als ich das Mittagessen kochte, sagte Marie plötzlich: »Also… ich frage mich, ob du… auch was gespürt hast?«
    Ich erstarrte. Durch die alten, verzerrenden Fenster der Veranda sah ich die Mädchen und unsere Männer wohlbehalten, aber nass und hungrig zurückkommen.
    »In so einem alten Haus… vibriert immer mal was«, erwiderte ich hastig.
    Marie nickte. Da riss Cecilia auch schon die quietschende Verandatür auf und kreischte, sie wolle »Getti und rote Soß!« Da sie nur Spaghetti mit Hackfleischsauce aß, stand das auch auf dem Herd.
     
    In dieser Nacht erwachte ich kurz nach Mitternacht. Jemand ging in der Diele auf und ab. Sicher Marie oder Lasse, die mit der kleinen Sara unterwegs sind, dachte ich. Man hörte jedoch kein Schreien. Vielleicht war sie gerade wieder eingeschlafen. Seltsamerweise hörten die Schritte nicht auf. Als ich das letzte Mal auf die Uhr schaute, war es ein Uhr zwölf.
     
    »Habt ihr Sara irgendwann dazu gebracht, wieder einzuschlafen?«, fragte ich Marie am nächsten Morgen.
    Wir saßen in der Glasveranda beim Frühstück. Vereinzelte Sonnenstrahlen fielen durch die Fenster. Zumindest regnete es nicht.
    »Sara?«
    Marie sah mich fragend an.
    »Oder seid ihr mit Karin auf gewesen? Es wird doch nicht einer von euch mitten in der Nacht allein auf und ab gelaufen sein?«, meinte ich erstaunt.
    »Von uns war niemand auf. Jemand von euch muss mitten in der Nacht in der Diele herumgetigert sein. Ich habe gut und gerne zwei Stunden lang Schritte gehört!«, rief Marie.
    »Was redet ihr da für einen Unsinn? Ich habe keine Schritte gehört«, mischte Olof sich ein.
    »Ich auch nicht«, pflichtete ihm Lasse bei.
    »Dass du nichts gehört hast, verstehe ich sehr gut! Du hast geschnarcht wie ein Weltmeister!«, sagte meine Schwester säuerlich zu ihrem Mann.
    »Bei mir war es genauso«, meinte ich.
    Alle vier schauten wir uns an. Olof und Lasse verdrehten vielsagend die Augen. Aber Marie und ich wussten, wie wir dran waren. Beide hatten wir die Schritte gehört und waren hellwach gewesen. Keiner von uns hatte sich mitten in der Nacht in der Diele aufgehalten.
     
    Am Nachmittag unternahmen Marie und ich einen Spaziergang mit dem Kinderwagen. Sara lag in einem äußerst bequemen Emmaljunga.
    »Wieso wolltest du wissen, ob ich auch was gespürt habe?«, fragte ich.
    Marie ging eine Weile schweigend neben mir
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