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Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Titel: Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)
Autoren: Chris Pavone
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gestanden und ein Geschirrtuch auf die Wunde gepresst, während das Blut auf die zerschlissene Fußmatte getropft war, durch die Baumwollfasern, genauso wie damals, an diesem Tag im Waldorf, als sie den Blick hätte abwenden sollen, es aber nicht getan hatte.
    »Und was ist ein Großherzog?«, fragte sie und wischte sich die Zwiebeltränen ab.
    »Der Mann, der ein Großherzogtum regiert.«
    »Das erfindest du doch nur.«
    »Tu ich nicht.« Der Anflug eines Lächelns lag auf Dexters Gesicht, als wolle er sie tatsächlich hochnehmen. Aber nein, dafür war das Lächeln zu winzig. Nein, dieses Lächeln setzte er nur auf, wenn er so tun wollte, als nehme er sie hoch, während er es in Wahrheit todernst meinte.
    »Also gut«, sagte sie. »Ich schlucke den Köder. Weshalb sollten wir nach Luxemburg ziehen?«
    »Um einen Riesenhaufen Geld zu verdienen und durch Europa reisen zu können, wann immer wir Lust dazu haben.« Und da war es – ein echtes Lächeln, das von einem Ohr zum anderen reichte. »So wie wir es uns immer erträumt haben.« Er sah sie an. Es war der offene Blick eines Mannes, der keinerlei Geheimnisse hatte und nicht einmal die Möglichkeit in Betracht zog, dass andere so etwas taten. Genau diese Eigenschaft liebte Katherine so sehr an ihm.
    »Du wirst also einen Riesenhaufen Geld verdienen? In Luxemburg?«
    »Genau.«
    »Und wie willst du das anstellen?«
    »Dort herrscht ein eklatanter Mangel an attraktiven Männern. Die bezahlen mir ein Heidengeld dafür, dass ich einfach nur atemberaubend gut und supersexy aussehe.«
    Das war ein Witz. Ihr Running Gag seit über zehn Jahren – Dexter war weder auffallend attraktiv noch besonders sexy. Er war eher der klassische Computerfreak, schlaksig und ungelenk. Nicht dass er unattraktiv gewesen wäre – er hatte klare Gesichtszüge, ein spitzes Kinn, haselnussbraune Augen und einen dichten Schopf unscheinbar sandfarbener Haare. Mit einem anständigen Haarschnitt, ein bisschen Nachhilfeunterricht in Sachen Auftreten und möglicherweise einer Psychotherapie hätte er sogar richtig ansehnlich wirken können. Doch er verströmte Ernsthaftigkeit und Intelligenz, nicht Körperlichkeit oder Sexualität.
    Genau deshalb hatte Katherine sich am Anfang zu ihm hingezogen gefühlt: Er war ein Mann ohne jede Ironie, ohne Hinterlist, ohne aufgesetzte Coolness und gelangweiltes Getue, ohne einstudierte Gesten. Dexter war offen, zuverlässig und nett, ein Mann ohne Geheimnisse und so ganz anders als die Männer aus ihrer Branche, in der Manipulation, Skrupellosigkeit und Egoismus regierten. Dexter war ihr persönliches Gegengift gegen diese Welt.
    Er hatte sich längst mit seiner Unscheinbarkeit und seiner nicht vorhandenen Coolness abgefunden und betonte sie sogar noch: Brille mit Kunststoffgestell, altmodische, scheinbar wahllos aus dem Schrank gepflückte Kleidung und wild abstehendes Haar, als sei er gerade erst aufgestanden. Und er riss ständig Witze über sein Äußeres. »Ich werde einfach auf öffentlichen Plätzen herumstehen«, fuhr er fort. »Na ja, wenn ich müde werde, setze ich mich vielleicht auch mal hin.« Er lachte über seinen eigenen Witz. »Luxemburg ist die Hauptstadt der Privatbanken.«
    »Und?«
    »Und eine dieser Privatbanken hat mir soeben einen lukrativen Job angeboten.«
    »Wie lukrativ?«
    »Dreihunderttausend Euro pro Jahr. Das ist beim derzeitigen Wechselkurs fast eine halbe Million Dollar. Plus Spesen. Plus Boni. Alles in allem könnte fast eine Dreiviertelmillion im Jahr herausspringen.«
    Das war eine Menge Geld. Sie hatte nicht gedacht, dass Dexter jemals so viel verdienen würde. Obwohl er zur ersten Generation der Internetexperten gehörte, hatte er weder den Ehrgeiz noch das visionäre Denken an den Tag gelegt, das man brauchte, um wirklich reich zu werden. Die meiste Zeit hockte er vor seinem Computer, während seine Freunde und Kollegen Kapital beschafften, Risiken eingingen, pleite oder mit ihren Firmen an die Börse gingen und am Ende mit dem Privatjet durch die Welt flogen. Aber Dexter nicht.
    »Und noch dazu«, fuhr er fort und breitete die Arme aus, um zu demonstrieren, was für einen Volltreffer er gelandet hatte, »werde ich nicht mal besonders viel arbeiten müssen.« Früher waren sie beide mal sehr ehrgeizig gewesen, aber nach zehn Jahren Beziehung, von denen sie fünf als Eltern verbracht hatten, war Dexters Ehrgeiz auf das Minimum geschrumpft. Eigentlich bezog er sich vor allem darauf, weniger zu arbeiten.
    Das hatte sie
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