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Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Titel: Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)
Autoren: Chris Pavone
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Schlepptau. Wie oft hatte sie diese Ungetüme gesehen und gedacht: Wer um alles in der Welt kauft so potthässliche Koffer? Nun kannte sie die Antwort: jemand, der innerhalb kürzester Zeit sein gesamtes Hab und Gut zusammenpacken muss.
    Um die acht potthässlichen Koffer herum lag ein Sammelsurium aus vier Reisetaschen, einer Handtasche, zwei Computertaschen und zwei Kinderrucksäcken, Jacken und Teddybären, dazu eine Plastiktüte mit Keksen, frischem und getrocknetem Obst, einer Tüte voll brauner M & Ms – die beliebteren Farben hatten die Jungs bereits verputzt, noch bevor sie Nova Scotia überflogen hatten.
    Da war sie also – mit den blauen Reisepässen in der Hand, durch die sie sich von den burgunderroten deutschen Pässen abhob. Und nicht nur durch sie, sondern auch, weil außer ihr keiner so herumsaß, inmitten einer Unzahl grauenhaft hässlicher Koffer.
    Natürlich verstand sie kein Wort von dem, was die Leute um sie herum redeten. Ihre Augen waren verquollen, nachdem sie während des siebenstündigen Flugs nur zwei Stunden geschlafen hatte; sie war hungrig und übermüdet und aufgeregt und verängstigt.
    Da war sie nun – eine Immigrantin, die neu in ein Land kam.
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    Ihr erster Schritt hatte darin bestanden, Dexters Nachnamen anzunehmen. Sie hatte eingesehen, dass sie ihren Mädchennamen, unter dem sie auch in ihrem Beruf bekannt war, nicht länger benötigte. Also war sie zur Stadtverwaltung gegangen, hatte die Formulare ausgefüllt und die Gebühr dafür bezahlt, im Eilverfahren einen neuen Führerschein und einen neuen Reisepass zu bekommen.
    Sie hatte sich gesagt, dass es leichter sein würde, die bürokratischen Hürden zu überwinden und in einem katholischen Land zu leben, wenn Mann und Frau denselben Namen hatten. Was war schon ein Name, nachdem sie auch den Rest ihrer Identität aufgab – den äußeren Schein, unter dem sich eine Fülle viel komplexerer Wahrheiten verbarg.
    Also war sie schon jetzt jemand, der sie noch nie zuvor gewesen war: Katherine Moore. Sie würde sich Kate nennen. Die freundliche, umgängliche Kate. Nicht die strenge, ernste Katherine. Kate, das klang lässig und nett: Kate Moore war jemand, der genau wusste, wie man sich in Europa gut amüsierte.
    Kate Moore hatte den gesamten Umzug organisiert. Sie hatte Dutzende Benutzerkonten eingefroren, aufgelöst oder die Adresse geändert. Sie hatte die potthässlichen Koffer gekauft. Sie hatte ihr gesamtes Hab und Gut in drei Kategorien aufgeteilt – Fluggepäck, Luftfracht und Überseecontainer. Sie hatte Frachtpapiere ausgefüllt, Versicherungs- und Einreiseformulare.
    Und es war ihr gelungen, sich von ihrem Job loszueisen, was allerdings weder schnell noch einfach über die Bühne gegangen war. Und als sie ihr Kündigungsgespräch und sämtliche bürokratischen Hürden endlich hinter sich gebracht hatte, war sie zum Haus ihres Chefs auf dem Capitol Hill gefahren, wo er einen Ausstand für sie organisiert hatte. Im ersten Moment war sie enttäuscht gewesen, weil die Party nicht in einem irischen Pub stattfand, wo sich alle um eine riesige Bar versammelten und sich volllaufen ließen, wie man es aus Spielfilmen kannte. Aber natürlich konnten ihre Kollegen nicht einfach in die nächste Bar stolpern und sich betrinken. Also hatten sie sich auf ein paar Flaschen Bier im Keller von Joes Einfamilienhaus getroffen, das, wie Kate mit einer Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung festgestellt hatte, weder wesentlich größer noch wesentlich besser in Schuss war als ihr eigenes.
    Sie hatte mit ihren Kollegen angestoßen und zwei Tage später den Kontinent verlassen.
    Das, sagte sie sich, ist meine Chance, mich neu zu erfinden. Als jemand, der nicht halbherzig versucht, seine aus einem unüberlegten Entschluss heraus begonnene Karriere voranzutreiben; als jemand, der nicht mehr schlecht als recht versuchte, Mutter zu spielen, und als jemand, der nicht in einem hässlichen, unwirtlichen Viertel in einer von Bitterkeit und Neid erfüllten Stadt leben musste – einer Stadt, die sie sich selbst ausgesucht und nicht mehr verlassen hatte, seit sie hier aufs College gegangen war. Sie war in Washington und in ihrem Job hängen geblieben, weil eines zum anderen geführt hatte. Sie hatte ihr Leben nicht in die Hand genommen, es war ihr einfach passiert.
    Der deutsche Taxifahrer drehte die Lautstärke des Radios auf. Synthesizer-Pop aus den Achtzigern drang aus den Lautsprechern. »New Wave!«, schrie er. »Wahnsinn!« Er
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