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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror
Autoren: Elisabeth Elo
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Land gekommen bist und in New York Kontakte geknüpft hast, die ihr die Tür in die Modewelt öffneten.
    Milosa schließt langsam die Augen. »Du weißt alles, was du wissen musst.«
    Ich spüre, wie die Dringlichkeit der Frage schwindet. Er hat recht. Isa ist tot, Milosa wird ihr bald folgen. Ihre Leben, ihre Kämpfe und ihr Leiden, das alles verblasst bereits zu unbekannter Vergangenheit, in einem unermesslichen Meer unzähliger Millionen vergessener Leben, genauso schwierig, so voller Schmerz, so triumphal wie ihres. Was davon spielt wirklich noch irgendeine Rolle?
    Er streckt eine Hand aus und berührt meine. Seine Finger sind warm.
    Jetzt haben wir uns beide berührt. Zwei einfache, bemerkenswerte Gesten. Was ist Liebe? , frage ich mich. Ist es das hier?
    Milosa setzt sich auf und streicht sein Laken glatt. Er trinkt einen Schluck Wasser und räuspert sich. Mit klarer, lebhafter Stimme sagt er: »So, und jetzt wirst du den Duft deiner Mutter nehmen und die Firma noch erfolgreicher machen. Und falls es einen Himmel gibt, wird Isa jetzt dort lächeln, sofern sie die ­Regeln außer Kraft gesetzt und sie überhaupt reingelassen haben. Und ich werde sie finden, den Gauner an die Luft setzen, mit dem sie womöglich zusammenlebt, und falls sie will, werden sie und ich es noch einmal miteinander versuchen.«
    Er strahlt tatsächlich. Ich habe ihn noch nie so phantasievoll erlebt. Es ist nicht das alte Draufgängertum. Etwas Leuchtendes und Vertrauensvolles ist in seine Seele getreten.
    »Du solltest mit hinaus auf die Terrasse kommen. In der Sonne sitzen. Es ist ein herrlicher Tag. Ich lasse uns von Jeffrey Tee bringen.«
    »Morgen vielleicht.« Er verlagert sich unbehaglich im Bett, und ich bemerke ein leichtes Zittern seiner Finger. »Holst du mir bitte ein Taschentuch aus der obersten Schublade dort, bevor du gehst?«
    Ich hole ihm eines. Es ist gestärkt, ordentlich gefaltet, das Monogramm ist mit einem goldenen Faden gestickt: MK . Es war Milosa schon immer eine große Freude, sich lautstark in feinem Leinen die Nase zu schnäuzen. Isa verdrehte dann die Augen und nannte dieses Verhalten Stallmanieren. Worauf er dann antwortete: Stallmanieren? Ich gebe dir Stallmanieren. Mein Vater hat immer die Finger oder seinen Ärmel benutzt.
    Ach du meine Güte! , sagte Isa darauf. Pirio, halt dir die Ohren zu. Dein Vater erzählt uns gleich, wie dein Großvater sich selbst seine verfaulten Zähne gezogen hat und wie außergewöhnlich häufig er in ihrer winzigen Hütte gefurzt hat.
    Nicht nur er, meine Süße. Und dann, wenn er dazu körperlich gerade in der Lage war, beugte Milosa sich leicht zur Seite, hob eine Hüfte und ließ einen gasförmigen Windstoß los. Für Mütterchen Russland! , brüllte er dann.
    Isa seufzte daraufhin mit höflicher, strapazierter Geduld. Siehst du, was ich ertragen muss, mein kleiner Liebling? Wer kann es mir verdenken, wenn ich diesen Mann einen Esel nenne?
    Milosa öffnet die Handfläche. »Und jetzt lass mich noch einmal den Duft dieser liederlichen Frau riechen.«
    Ich lege das Fläschchen in seine Hand. Er öffnet es und tupft etwas von dem Parfüm auf den Stoff. Er sieht den feuchten Fleck irgendwie merkwürdig an, als ob er lebendig sein könnte, nimmt noch etwas mehr. Allerdings hebt er das benetzte Taschentuch nicht an die Nase. Faltet es nur ordentlich zusammen und legt es auf den Nachttisch neben die Tiffany-Lampe.
    »So. Das ist meine Fahrkarte. Für die Reise«, sagt er.
    *
    Als ich bei einsetzender Abenddämmerung die Beacon Street hinunterkurve, sind die Fenster und das Schiebedach des Saab weit geöffnet. Ich mag es inzwischen, wenn es kalt ist, frisch, alle Fenster offen und Luft über meine Haut streicht. Der Körper passt sich an, wenn man ihn lässt, wächst, um den Raum auszufüllen, den er bekommt, tut, was man von ihm verlangt.
    Am Kenmore Square halte ich an einer Ampel. Stoßstange an Stoßstange gefangen im Rushhour-Stau, denke ich über die Zukunft von Inessa Mark, Inc. nach. Ich werde mich mit Isa’s Scent – ich denke, ich werde ihn sogar so nennen – richtig ins Zeug legen. Ich werde sämtliche Ressourcen der Firma hineinstecken. Werde auf meine Nase und mein Bauchgefühl setzen und tun, was mein Herz mir sagt. Ich möchte direkt anfangen, mit Maureen als Produktmanagerin. Ihre Erfahrung wird von unschätzbarem Wert sein. Nicht nur für dieses Produkt, sondern für all die anderen neuen Produkte, die wir auf den Markt bringen werden. Wir werden Inessa Mark zu
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