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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
Autoren: Claudia Seidert
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Göteborg, wo sich drei Frauen, Britta Hansen und Ann-Britt Johansson zusammen mit Aina Högberg (nicht mit Charley Högberg verwandt) auf die Spuren des Seemannes begeben haben. Die Hochzeit ist ein großes Familienfest. Charley stammt aus Nässjö in Schweden, doch die beiden bleiben erst einmal in Antwerpen.
    Eines der aufregendsten Ereignisse in Adys Friedens-Kindheit werden die Olympischen Spiele gewesen sein. Im Jahr von Netjes Heirat richtete sie Antwerpen aus. Solch ein Großereignis muss man sich anders vorstellen als heute. Um den Veranstaltungen beizuwohnen, musste man ins Stadion gehen, in die Hallen, nur dort konnte man vom 20. April bis zum 12. September – Sportereignisse richteten sich noch nicht nach medialen Terminkalendern – die alten und die neuen Sportarten wie Polo, Hockey, Boxen und Rugby verfolgen. Ob die Sportbegeisterung bei Maria, Firmin und Ady groß war, können wir nur vermuten. Sie werden jedoch die veränderte Atmosphäre in der Stadt gespürt haben, die vielen Fremden wahrgenommen haben, andere Fremde diesmal als die Seeleute aus dem Hafen.
    Onkel Charley und Tante Netje, 1920er-Jahre.
    29 Nationen schickten 2669 Athleten an die Schelde. Das Deutsche Reich war wegen seiner Rolle im Krieg von den Spielen ausgeschlossen, ebenso wie Österreich, Ungarn, Bulgarien und die Türkei. Nicht alles lief glatt, einige Anekdoten ranken sich um diese Spiele – vermutlich ist nicht alles wahr, nach den harten Jahren des Krieges war man vielleicht auch nur dankbar für alles, was spielerisch und unernst war. So sollen bei der Eröffnungszeremonie die Noten der italienischen Nationalhymne nicht auffindbar gewesen sein, man habe stattdessen kurzerhand »O sole mio« gespielt. Der schwedische Schütze Oscar Swahn war mit 72 Jahren der älteste aller Teilnehmer. Im Teamwettbewerb der Disziplin »Laufender Hirsch« (Doppelschuss) holte er die Silbermedaille. Der Dichter Franz Kafka träumte nach den Spielen, er sei einen Weltrekord geschwommen – was Ethelda Bleibtrey aus den USA, einer von nur 78 teilnehmenden Frauen, in allen drei Wettbewerben, in denen sie antrat, gelang. Den italienischen Wasserballern dagegen soll das Wasser zu kalt gewesen sein. Man schwamm und spielte wegen fehlender Hallen im Fluss. Beim Spiel gegen Schweden traten die Italiener mit nur einem Spieler an, die anderen schwänzten. Beim Spielstand von 0:7 gab dann auch dieser beherzte Mann auf …
    Belgien belegte schließlich noch vor dem viel größeren, jedoch noch sehr ländlich geprägten Frankreich den fünften Platz im Medaillenspiegel.
    Vielleicht hat damals Ady das Sportfieber gepackt. Einige Jahre später jedenfalls entwickelt sie eine Vorliebe für die eher sportlichen Mitglieder des männlichen Geschlechts. Bis da ist es aber noch eine Weile hin. Zunächst geht Ady zur Kommunion, eine heilige Pflicht – Maria und Firmin folgen damit ihren religiösen Grundsätzen. In Adys Koffer fanden wir Marienbildchen. Ady mag einerseits Konventionen beibehalten haben, vielleicht auch die des Altenheims, in dem sie ihre letzten Jahre verbrachte, möglicherweise folgte sie auch Maria in ihrem Glauben und übernahm ihn für sich.
    Zehn Jahre nach den Olympischen Spielen richtete Antwerpen erneut eine Weltausstellung aus, und als demonstrativer Höhepunkt entstand der »Boerentoren«, der Bauernturm, der erste Wolkenkratzer Europas mit einer Höhe von 87,5 Metern in der gleichen Bauweise wie die Wolkenkratzer in Chicago und New York. Bis heute überragt ihn nur der Turm der Liebfrauenkathedrale, Onze-Lieve-Vrouwekathedraal.
    Im September 1927 zieht Firmin mit seiner Familie um, in eine Wohnung in der Lange Kievitstraat 138. Es ist ein neues Viertel für sie, enge Straßen, im Norden der Zoo und der Bahnhof. Das Haus ist schmal, zwei Stockwerke hoch. Am 1. Oktober 1927 meldet sich die Familie bei der Gemeinde um. Firmin gibt als Beruf Stadwerksman an. Maria ist laut Register ohne Beruf.
    Ady ist 14, sie hat die Schule beendet und nun die Wahl, eine Lehre zu machen oder ungelernt in einem Salon oder bei einer Schneiderin zu arbeiten. Sie lässt sich auf der Gemeinde selbstbewusst als »modiste«, Modistin, Putzmacherin eintragen. Zwei Jahre später schlägt eine neue Krise voll zu. Die belgischen Exporte brechen ein, die Industrieproduktion geht um ein Drittel zurück. Die Extremisten setzen die belgische Demokratie unter Druck. DieKoalitionsregierungen suchen Kompromisslösungen, doch die Koalitionen halten nicht und lösen einander
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