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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
Autoren: Claudia Seidert
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wenn auch bei ihm der Wandel früher, nochunter dem Eindruck der Kriegserlebnisse einsetzte. Inzwischen ist er sichtlich gealtert, seine Haare sind verschwunden, ihn ziert eine Glatze. Auch seinen feschen Schnurrbart wird er bald aufgeben.
    … und arbeitet, 1927.
    In diesen Jahren ändert sich auch die Art des Fotografierens. Durch den eigenen Apparat zeigen die Bilder, die ab Anfang der 1930er-Jahre entstehen, Situationen im Privaten, im Garten, auf der Straße, auf Plätzen, am Strand.
    Maria lässt sich vor allem auf der Straße fotografieren, im Mantel mit Hut, eine Tasche über dem Arm und stets gehend, frontal auf den Fotografen zu. Genauso wird sich Ady in wenigen Jahren präsentieren, spazierend vor Geschäften in der belebten Innenstadt. Es scheint, als habe ein Atelier diesen Service angeboten: die Städterin unterwegs in ihrer Stadt, Fotos aus dem Leben gegriffen. Maria wird sicherlich noch eine weitere Erfahrung gemacht haben – und sie ist nicht die einzige, die das schmerzt: Die Jüngere, die Tochter blüht auf, ihr folgen nun die Blicke. Die Mutter wird älter und allmählich unsichtbar.

Amourke und Co.
    Meine liebe, kleine Amourke, ich habe heute dein Kärtchen bekommen, es ist sehr freundlich, weißt du. Aber ich hoffe sehr, meine geliebte kleine Femmeke, dass du heute an deinen Menneke einen lieben kleinen Brief schreibst, in dem du ihm lieb erzählst, dass du ihn nicht nur ein bisschen liebst, sondern dass du ihn sehr sehr liebst und dass du für immer bei ihm bleibst.
    Gus an Ady 1933
    Adriana ist beinahe zwanzig, keine Jugendliche mehr. Die Rundungen der frühen Jahre sind verschwunden, sie hat sich gestreckt, ist eine junge Frau, und ihr Leben bekommt neue Prioritäten. Sie geht arbeiten, doch in schlechten Zeiten haben auch Friseure weniger zu tun. Ady ist eine der vielen jungen städtischen Frauen, die im industrialisierten Europa morgens zur Arbeit gehen, um als ungelernte oder angelernte Arbeiterinnen in Fabrikhallen zu stehen, als Sekretärinnen in die Schreibsäle der Kontore zu eilen, in die Geschäfte, um als Verkäuferinnen zu arbeiten oder wie Ady in die Salons, um ihre Kundinnen zu verschönern. Sie lebt, wie es für unverheiratete junge Frauen üblich war, bei ihren Eltern, verdient aber ihr eigenes Geld. Im August 1934 reicht es für ihren ersten eigenen Radioapparat.
    Ady ist hübsch, arbeitet an ihrem Aussehen und probiert sich aus. Wann kann man das besser als im Sommer, mit flirrendem Sonnenlicht, in lichten Wäldern, auf warmem Sandboden. Von Antwerpen ist es nicht weit zum Meer und Maria und Ady verbringen manchen Sommer in Oostende am Strand der Nordsee. Firmin ist auf den sommerlichen Bildern dieser Jahre nicht zu sehen. Es sind Frauenferien, Erholung vom Alltag, entspannte Tage, kalbendes Ruhen am Strand. Die Vermutung liegt nahe, dass Firmin nach den mageren Zeiten der Wirtschaftskrise nun wieder Arbeit findet und jede Möglichkeit wahrnimmt, um Geld zu verdienen.
    Ab nun häufen sich die Bilder, auf denen Ady ohne Maria zu sehen ist. Ady trifft Freunde und Freundinnen, im Sommer zieht es sie hinaus nach Sint Anna, an den Stadtstrand von Antwerpen. Auf dem Schwemmland in einer Schleife der Schelde liegt die Badeanstalt mit ihren hölzernen Bauten und Umkleidekabinen. Man geht schwimmen, die kühlen Temperaturen werden genommen, wie sie kommen, die Nordsee ist nichts für verwöhnte Gemüter – und hier am Fluss wird das Wasser immer noch wärmer als draußen im Meer. Man liegt in der Sonne, man redet, albert herum und spielt.
    An der Nordsee, Oostende, etwa 1930.            Ady, etwa 1936.
    Auf ein paar Fotos dieser Jahre steht Ady an einem warmen Frühlingstag im Mantel am Strand von Sint Anna. Sie dreht sich um, als würde sie zu den Hafenanlagen am anderen Ufer der Schelde hinüberblicken. Vielleicht ist es zum ersten Mal ein junger Mann, dessen Kameraauge sie standhalten soll. Sein Schatten ist im Vordergrund des Bildes zu sehen und sie hält den Hut des Fotografen in der Hand.
    Ady ist in diesem Frühling noch 19 Jahre alt und verliebt. Auf der Rückseite eines der Bilder ist das Datum notiert: Sint Anna 26. Mars 1933. Die Handschrift stammt von Gus, einem Mann, von dem Ady ein paar Liebesbriefe aufgehoben hat. Auf fliederfarbenen Briefbögen versichert Gus ein ums andere Mal, dass und wie sehr er seine »Amourke« liebt. Am 30. Mai 1933 nennt er Ady zärtlich seine »tante gentille petite Adyke«. Beim Militär in Brasschaat auf der harten Pritsche
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