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Die Frau an Seiner Seite

Die Frau an Seiner Seite

Titel: Die Frau an Seiner Seite
Autoren: Heribert Schwan
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gleichgeschalteten Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Dokumentiert ist auch, dass sie der »Nationalsozialistischen Wohlfahrt« (NSV) angehörte. Dieser als Organisation der NSDAP 1933 gegründete eingetragene Verein half bedürftigen Familien und betrieb Kindergärten, die in Konkurrenz zu vergleichbaren kirchlichen Einrichtungen traten. Die meisten Parteimitglieder – so auch Hannelores Mutter – brachten ihre Kinder in NSV-Kindergärten unter, deren Leitspruch lautete: »Händchen falten, Köpfchen senken, immer an den Führer denken. Er gibt euch euer täglich Brot und rettet euch aus aller Not.« Finanziert wurde die NSV aus Spenden und den Beiträgen ihrer zahlenden Mitglieder. 1939 waren dies 11 Millionen.
    Hannelore wurde ganz in diesem Geist erzogen und schon früh zu Pflichterfüllung, Selbstbeherrschung, Opferbereitschaft, Leidensfähigkeit, Selbstlosigkeit und Treue angehalten. Als sie im Juni 1938 am Blinddarm operiert werden musste, zeigte sie, was sie verinnerlicht hatte. Irene notiert, die Tochter habe sich als »tapferes Kind« erwiesen, das auch nicht jammerte, wenn es krank war.
PRÄGUNGEN
    Hannelores unbeschwerte Leipziger Jahre zählten zu den glücklichsten in ihrem Leben. Auch der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 änderte daran zunächst nichts. Es gab kaum Einschnitte und spürbare Veränderungen im Hause der Familie Renner. Die Stadt Leipzig zählte 1939 zu den bedeutendsten Städten im Dritten Reich – auch aus strategischen Gründen. Seit zwei Jahren schon war Sachsen zentrales Aufmarschgebiet der Wehrmacht, da Berlin Druck auf die Tschechoslowakei zur Abtretung des Sudetenlandes ausüben wollte. Nach Abschluss des Münchner Abkommens vom September 1938 begann die Annexion des Sudetenlandes über sächsische Grenzorte. Die besetzten Gebiete wurden zum Protektorat Böhmen und Mähren. Mit Kriegsbeginn rollten Anfang September 1939 Truppentransporte durch Leipzig nach Polen.
    Von all dem bekam die sechsjährige Hannelore so gut wie nichts mit. Was Krieg bedeutete, welche Folgen und Verheerungen er noch bringen sollte, konnte man einem Kind in ihrem Alter nicht vermitteln. Auch über die Pogromnacht vom November 1938, mit der für die 13 000 Juden der Stadt der Anfang vom Ende eingeläutet wurde, verloren die Eltern kein Wort. In der so genannten »Reichskristallnacht« waren zwölf der 13 Leipziger Synagogen in Flammen aufgegangen und viele jüdische Geschäfte zerstört worden.
    Das, was Hannelore im Gedächtnis haften blieb, war das erste bewusste Miterleben der Silvesternacht 1939. Erstmals durfte das Kind aufbleiben und im Anschluss an Mutters rauschendes Fest zu ihrem 42. Geburtstag ein großartiges Silvesterfeuerwerk erleben, an das sie sich noch Jahrzehnte später lebhaft erinnerte. Überall im »Reich« feierten die Menschen den Jahreswechsel 1939/40 – voller Hoffnung und Zuversicht auf ein erfolgreiches und rasches Ende des Krieges.
    Für Wilhelm Renner begann mit dem Krieg gegen Polen eine andere Zeitrechnung. Auf den HASAG-Direktor kamen neue berufliche Herausforderungen zu, die er mit Elan anging und mit großer Einsatzbereitschaft zu bewältigen suchte. Für die Familie hieß das, dass Wilhelm Renner immer häufiger durch Abwesenheit glänzte. Hannelore konnte nicht begreifen, warum ihr geliebter Vater nur noch selten zu Hause war. Niemand erklärte ihr einleuchtend, warum er ständig ins besetzte Polen fuhr. Das Kind litt unter der regen Reisetätigkeit, deren Ende nicht absehbar war. Nachdem der NS-Musterbetrieb HASAG im besetzten Polen, dem sogenannten »Generalgouvernement«, gleich drei Munitionsfabriken übernommen und erheblich ausgebaut hatte, war das so gerne demonstrierte Familienidyll nur noch selten zu erleben. Irene Renner musste sich über weite Strecken mit der Rolle einer alleinerziehenden Mutter abfinden.
    Hannelore hatte derweil genügend Abwechslung. Sie ging neben der Schule mit Freude ihren sportlichen und musikalischen Aktivitäten nach, zu denen sie ihre Mutter mit erdrückender Fürsorge und nicht nachlassender Strenge anhielt. Allein zunehmendes Sirenengeheul in der Nacht und das bedrohliche Dröhnen der Flieger am Himmel warfen vereinzelt Schatten auf den unbeschwerten Alltag. Wilhelm Renner hatte lange vor Kriegsausbruch einen privaten Luftschutzkeller im Hause Montbéstraße 41 bauen lassen. Dieser Bunker stand allen Hausbewohnern zur Verfügung und bot relativen Schutz vor drohenden Bombenangriffen. Für Hannelore und ihre
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