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Die Frau an Seiner Seite

Die Frau an Seiner Seite

Titel: Die Frau an Seiner Seite
Autoren: Heribert Schwan
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Türen bauen lassen, in das Hannelore und ihre Freundinnen aufrecht hineingehen konnten. Ein solches Geschenk ließ sich kaum noch steigern. Während in vielen Familien die Väter durch Abwesenheit glänzten und mit Geschenken mangelnde Zeit kompensieren wollten, scheint Hannelore in dieser Hinsicht doppelt begünstigt gewesen zu sein. Sie bekam vom Vater beides: eine Menge Zuwendung und Warmherzigkeit – und das volle Verwöhnprogramm.
    Hannelores Vater war eine außergewöhnliche Erscheinung. Ihre Freundinnen mochten ihn sehr, weil er anders war als ihre Väter. Der immer tiefbraun gebrannte, sportlich ambitionierte und durchtrainierte Mittvierziger besaß einen farbenprächtigen Sportwagen, der mit allen denkbaren Extras und technischen Finessen ausgestattet war. Gerne zeigte er seine Fahrkünste, wenn Hannelore auf seinem Schoß saß, und er einige Runden auf dem gepflasterten Hof drehte. Fabrikdirektor Renner verfügte als einziger Mann im Hause Montbéstraße 41 über einen geräumigen Dienstwagen mit Chauffeur. Der Spitzenverdiener sorgte für Glanz und Glamour, war in der Leipziger Hautevolée äußerst beliebt und verfehlte seine Wirkung auf Frauen nicht. Gleichwohl wirkte Renner nicht überheblich. Die Freundlichkeit, mit der er seinen Mitmenschen begegnete, war nicht aufgesetzt, seine soziale Kompetenz stellte er selbst in der kleinen Hausgemeinschaft immer wieder unter Beweis. Für Hannelore und ihre Freundinnen war er der Inbegriff des idealen Papa mit viel Herz und Wärme. Die Zeitzeugen von heute beschreiben Wilhelm Renner als einen gut aussehenden, energiegeladenen, unternehmensfreudigen, smarten Kerl – einen Winner-Typen, der Hobbys wie das Jagen pflegte, die sich nur wenige leisten konnten.
    Im großbürgerlichen Haushalt der Renners gehörte es zum guten Ton, die Tochter sportlich und musisch zu bilden. In Irenes Tagebuch sind penibel Anfänge und zunehmende Erfolge beim Fahrradfahren, Schwimmen und Skilaufen verzeichnet. Und im November 1938 begann Vaters Liebling mit dem Ziehharmonikaunterricht bei einem Leipziger Privatlehrer. Hannelore sollte in die Fußstapfen ihrer Mutter treten und wie sie Akkordeon und Klavier lernen. Dafür stand im Damenzimmer ein Flügel bereit, auf dem Irene Renner beinah täglich übte und viele Stunden ihrer reichlichen Freizeit verbrachte. Auch das Kulturangebot der Stadt mit Opern- und Theaterbesuchen spielte im Leben der Familie eine große Rolle. Es gehörte einfach dazu, sich bei Konzerten im Gewandhaus zu zeigen oder in der Alten Oper am Augustusplatz. Hannelore lernte früh, am kulturell-gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, das auch im eigenen Elternhaus stattfand. Mutter Irene bereitete mit viel Einfallsreichtum Abendeinladungen mit hochkarätigen Gästen vor und lud gerne zu den beliebten Damenkränzchen ein. Von Kindesbeinen an lernte Hannelore auf diese Weise die feine Gesellschaft von Leipzig kennen und erlebte ihre Eltern als perfekte Gastgeber für den prominenten Freundeskreis.
    Mit vier Jahren begleitete Hannelore ihre Eltern auf Reisen durch Deutschland, später auch nach Österreich. Der leidenschaftliche Tüftler Wilhelm Renner baute für diese Fahrten eigenhändig einen Wohnwagen, der 1938 bereits über einen Kühlschrank mit Gasbetrieb verfügte. Das einmalige und äußerst luxuriöse Reisemobil war für damalige Verhältnisse eine kleine Sensation und unterstrich die exponierte Stellung seiner Besitzer.
    Der Wohlstand der Familie in den Dreißigern und Anfang der Vierzigerjahre war bemerkenswert. Es fehlte an nichts. Die Frau des zum Direktor der HASAG berufenen Wilhelm Renner konnte sich Personal leisten wie es in jener Zeit nur den oberen Zehntausend möglich war. Für den Drei-Personen-Haushalt arbeiteten eine Putzfrau, eine Wasch- und eine Bügelfrau, ausgestattet mit modernstem technischem Gerät. Hinzu kam das Kindermädchen Hilde, das Hannelore heiß und innig liebte. Hilde war nicht nur eine wichtige Bezugsperson, sondern auch ein liebevoller Gegenpol zur strengen und fordernden Mutter. Während das Kindermädchen Nähe und Zärtlichkeit bot, blieb Hannelores Mutter auf Distanz, so wie es dem damaligen Zeitgeist und den Erziehungsprinzipien entsprach.
    Die kühle Bremerin sah es als wichtigste Aufgabe an, ihre Tochter zu Charakterstärke, Härte, Tapferkeit, Disziplin, Selbstbeherrschung und Gehorsam zu erziehen. Sie brachte Hannelore schon früh bei, keine Schwächen zuzulassen, Schmerzen zu ertragen oder zu unterdrücken.
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