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Die Frau an Seiner Seite

Die Frau an Seiner Seite

Titel: Die Frau an Seiner Seite
Autoren: Heribert Schwan
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kurzen Zwischenspiel als Berufsanfänger in der pfälzischen Heimat zog es Wilhelm Renner in die Ferne. Im Jahr 1910 ging er auf Wanderschaft und landete eines Tages in Berlin, genauer im Ingenieurbüro »Julius Pintsch AG« in der Friedrichshainer Andreasstraße. In diesem weit über die Grenzen der Stadt bekannten Großbetrieb für Beleuchtungsanlagen und Rüstungstechnik fand Renner eine Anstellung als Konstruktionsingenieur. Sein neuer Arbeitgeber entwickelte Gasdruckmesser für die Industrie und erhielt Großaufträge für die Herstellung von Gasbeleuchtungsgeräten. Später spezialisierte sich das Unternehmen auf Gasbeleuchtungen für Eisenbahnen.
    Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 fanden die Karriereträume des jungen Mannes ein vorläufiges Ende. Wilhelm Renner wurde – wie Tausende seiner Generation – eingezogen. Doch der Pfälzer hatte Glück. Anstatt in den Schützengräben der Front kämpfen und sein Leben aufs Spiel setzen zu müssen, kam der Ingenieur bei der Fliegertruppe unter und landete in einer Entwicklungsabteilung für Funk- und Funktelegrafiegeräte. Für Renner war die Kriegszeit auf diese Weise vor allem von neuen fachlichen Herausforderungen geprägt, die sich für seine weitere Karriere als äußerst hilfreich erweisen sollten.
    Nach dem Ende des für alle beteiligten Nationen so fürchterlich verlustreichen Ersten Weltkriegs kehrte Wilhelm als Feldwebel der Reserve zurück zu seinem alten Arbeitgeber. Mit neuen Ideen und jeder Menge fachlicher Erfahrung ausgestattet, kehrte er in seine Position als Konstruktionsingenieur bei der Julius Pintsch AG zurück.
    1926 quittierte Wilhelm nach acht Jahren seinen gut bezahlten Job, da er bei Pintsch keine Aufstiegschancen sah. Und das in einer Zeit, als sich die Arbeitslosigkeit in der Weimarer Republik langsam zu einem drängenden Problem entwickelte. Dank bester Verbindungen trat der in seiner Branche geschätzte Experte in das bekannte Berliner Ingenieurbüro Koch & Kienzle ein. In diesem 1918 gegründeten »ersten freiberuflichen Unternehmen für Rationalisierungszwecke« wurde der ehrgeizige Renner rasch zum Abteilungsleiter berufen.
    In dieser Zeit lernte er seine große Liebe Irene Merling kennen. Lisa Maria Irene wurde laut Geburtsurkunde vom 3. Januar 1898 am 31. Dezember 1897 im elterlichen Haus in der Bremer Georgstraße 31 in der heutigen Bahnhofsvorstadt geboren und vermutlich evangelisch getauft. In den einschlägigen Archiven findet sich für Irene Merling allerdings kein Eintrag im Taufregister. Sie stammte im Gegensatz zu ihrem späteren Ehemann aus einer großbürgerlichen Akademikerfamilie. Ihr Vater war der renommierte Rechtsanwalt und Notar Dr. jur. Magnus Phil. Emil Merling, ihre Mutter Elsa Margaretha, geborene Mey, war die Enkelin von Ernst Mey, der 1870 zusammen mit Bernhard Edlich die Herrenausstatterfirma »Mey & Edlich« gegründet hatte. Irene, die mit zwei Brüdern und einer älteren Schwester aufwuchs, galt als musisch und sprachlich besonders begabt und besuchte die höhere Töchterschule. Ob sie anschließend eine Ausbildung absolvierte, liegt im Dunkeln. Bekannt ist indes ihre spätere Tätigkeit als Ansagerin beim Rundfunk, der von 1923 an regelmäßig aus dem Voxhaus in Berlin sendete. Was ihre eigentliche Profession war, lässt sich nicht schlüssig belegen – in der Familie galt sie als »Künstlerin«. Im Gegensatz zu ihrer älteren Schwester Ilse aber, die in Amerika erfolgreiche Auftritte als Schauspielerin und Sängerin hatte, beruht Irenes Karriere als »Künstlerin« nur auf Vermutungen. Überliefert ist, dass sie die Kunst des Pfeifens in herausragender Weise beherrschte. Aus ihrem Mund ertönten Melodien, wie sie variationsreicher nicht sein konnten. Auch ihre Begabung beim Karten- und Tischtennisspiel, die sie bis ins hohe Alter gerne unter Beweis stellte, scheinen legendär gewesen zu sein.
    Als die lebenslustige Bremerin Wilhelm Renner im Februar 1929 heiratete, gab sie ihren Job beim Rundfunk auf und war fortan die attraktive und stets elegant gekleidete Frau an seiner Seite.
    Der rastlose Wilhelm Renner, immer auf der Suche nach besseren, lukrativeren und einflussreicheren Jobs, nahm als kapp 44-Jähriger zum 1. Januar 1934 ein Angebot des Leipziger Rüstungskonzerns »Hugo Schneider Aktiengesellschaft« (HASAG) an, das sein Leben und das seiner Familie nachhaltig prägen sollte. Die kleine Hannelore war knapp neun Monate auf der Welt, als die Familie von Berlin nach Leipzig
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