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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
Autoren: Alexis Jenni
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Unruhen und Schlaflosigkeit, Feuersbrünste auf den hohen Mauern der Wohntürme, brennende Mülltonnen, Autos, die in Brand gesetzt wurden und explodierten, sobald die Flammen den Tank umzüngelten; in mehreren Nächten wurden die Feuerwehrleute, die die Brände löschen wollten, mit Kieselsteinen empfangen und Schraubenmuttern hagelten auf die Polizeibeamten ein, die gekommen waren, um die Feuerwehrleute zu beschützen, die Ordnung wieder herzustellen und den Blutpfropf zu entfernen, an dem die Stadt zu ersticken drohte; die durch die Luft geschleuderten Gegenstände in der von Benzinfeuern erhellten Nacht prasselten mit dem Hämmern eines gefährlichen Stahlhagels auf die erhobenen Schutzschilde und die Helme; und es fielen mehrere Schüsse in der Nacht, sie wurden mit bemerkenswertem Ungeschick abgefeuert, Schüsse, die niemanden töteten, kaum jemanden verletzten und harmloser waren als eine mit einer Schleuder verschossene Schraubenmutter. Deswegen waren die jungen Männer nicht in ihrer gepanzerten Kolonne hergekommen, sie waren nicht da, um als Zielscheibe zu dienen; sie waren athletisch gebaut, tüchtig und durchtrainiert, waren aber keine Soldaten. Sie verhafteten Leute, durchsuchten Wohnungen, filzten rücksichtslos, warfen Menschen auf den Boden, legten ihnen Plastikhandschellen an, schleiften sie unter den Achseln fort und schoben sie in Fahrzeuge mit vergitterten Fenstern. Sie verrichteten ihre Arbeit perfekt, denn die jungen Männer waren durchtrainiert; die meisten Männer, die in Vorstädten eingesetzt werden, sind sehr jung, sind Anfänger, sie kennen das Handwerkszeug, die Vorgehensweise und beherrschen die Techniken, sind aber unerfahren im Umgang mit Menschen. Sie kommen in einer gepanzerten Kolonne im Tumult von Bränden und Steinwürfen an, machen Gefangene, richten Schäden an und rücken wieder ab. Sie befrieden. Wir sind stark. Unsere nationalen Reflexe sind straff gespannt wie Wolfsfallen.
    An den folgenden Tagen wurden sechs junge Leute aufgrund von Denunziationen verhaftet, am Tag darauf wurden alle wieder freigelassen, weil keine Beweise gegen sie vorlagen, die Akten leer und die Denunziationen anonym erfolgt waren. Der Aufruhr nahm größere Ausmaße an; der Aufruhr macht Spaß. Militärisch organisierte Polizeibeamte kamen in wie Raumanzüge wirkenden Schutzuniformen aus ihren gepanzerten Kleinbussen, schützten sich vor Schraubenmuttern und Steinen und nahmen alle fest, die nicht schnell genug rannten. Der Aufruhr ging weiter. Es ist unnütz, so stark zu sein. Der Einsatz von Gewalt ist absurd, denn die Natur der Welt ist flüssig; je mehr man schlägt, umso härter wird sie, je härter man zuschlägt, desto stärker ist der Widerstand, und wenn man noch heftiger zuschlägt, wird man selbst dabei zerschmettert. Unsere eigene Gewalt bringt den Widerstand hervor. Man kann natürlich davon träumen, alles zu zerstören, das ist das geträumte Ziel der Gewalt.
    Die Anhäufung von Geld schafft den Gangster, einen Gangster zu erschießen, löst einen Aufruhr aus, den Aufruhr niederzuschlagen trifft das Land so tief, dass man den Eindruck gewinnt, es handele sich um zwei Länder, um zwei Länder in demselben Raum, die sich tödlich bekämpfen, um sich voneinander zu trennen. Wir sind derart miteinander verwachsen, dass wir einen x-beliebigen Vorwand suchen, der uns trennt. Es wurde eine Ausgangssperre verhängt. Dazu wurde eine Verordnung von damals ausgegraben, ihre Anwendung wirkte sich auf die Unruhen aus, als hätte man Öl ins Feuer gegossen. Man beschuldigte ausländische Gangster, die Unruhen anzuheizen, doch die Typen, die bei den nächtlichen Verfolgungen geschnappt wurden, waren weder Ausländer noch Gangster, sondern nur enttäuschte Menschen. Man hatte ihnen versprochen, sie wären gleichgestellt, das Gesetz garantierte ihnen die Gleichstellung, doch sie waren nicht gleichgestellt. Denn man brauchte sie nur anzusehen, um ihre Andersartigkeit festzustellen. Und so nahm man wegen ihres Aussehens normale, gebildete junge Leute fest, die sich mit aller Kraft für Frankreich einsetzen wollten, sie lebten aus windigen Gründen, von denen wir uns nicht zu befreien vermochten, an den Rändern der Großstädte. Wir wissen nicht, welchen Namen wir ihnen geben sollen. Wir wissen nicht, wer wir sind. Und das muss doch jemand irgendwann einmal schreiben.
    Als sie mich zum Angeln einluden, war ich zunächst ein wenig überrascht. Das brachte sie zum Lachen.
    »Wundert es dich, dass wir angeln?
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