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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
Autoren: Alexis Jenni
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fort, entfernte sich auf dem rot schimmernden Wasser, verschwand hinter einer Brücke. Sie wohnte an der Saône, die Fenster ihres Zimmers gingen auf den Fluss hinaus. Der Horizont rötete sich.
    Ich ging zu dir, mein Herz, du hast mich erwartet. Das leuchtende Wasser der Saône zitterte in der Nacht, verengte sich, um unter den Brücken hindurchzufließen, und verbreiterte sich danach wieder, wirkte wie ein schwarzer Spiegel; ihre beständige, langsame Strömung führten sie nach Süden. Seit ich dich kenne, mein Herz, folge ich dem Lauf dieses Wassers, und auf seiner schwarzen, öligen Haut, auf seiner undurchdringlichen Haut glitt der rote Schein der Feuersbrünste, glitt der Lärm der Sirenen, glitt das Flackern des Aufruhrs, alles glitt, aber ohne ins Wasser einzudringen.
    Ich zog mich aus, um mich dir zu nähern, aber ich wollte dich malen. Du lagst auf dem ganz niedrigen Bett, hattest die Hände im Nacken verschränkt, deine vom Schwanenflaum umgebenen glänzenden Augen blickten mich an, während ich auf dich zukam. Du zeigtest deine üppigen Formen. Wir hatten keine Lampe angeknipst, das Licht von draußen genügte uns. Ich goss etwas Tusche in eine Schale, eine Schale, die mir nur zum Malen diente und mit getrockneter Tusche verkrustet war, als seien es Lackschichten, als seien es Häute, abgestreifte Schlangenhäute. Ich halte die Tusche in der Hand, wenn ich male, denn Malen ist wie Trinken, und so sehe ich, was der Pinsel aufsaugt, ich sehe den Pinsel, der die Tusche in der Schale aufsaugt, ich überwache, wie viel er aufnimmt, und male. Die Tusche verdunstet in der Schale, sie wird dickflüssiger, man muss malen, ohne Zeit zu verlieren. Die ersten Striche haben den flüssigen Charakter eines feuchten Hauchs, eines ganz leichten Kusses, aber anschließend wird die Tusche schwerflüssiger, dicker, verklebt die Pinselhaare, sie wiegt schwerer, man spürt sie in den Fingern und im Arm und in der Schulter, die Striche werden schwerer und schließlich dickflüssig wie Mineralöle, zäh wie Bitumen, das den Boden der Schale bedeckt, sie verleiht dem letzten Pinselstrich das furchteinflößende Gewicht von Brunnenwasser. Da ich das wusste, malte ich dich zunächst mit leichter Anmut, anschließend wurden die Striche schwerer. Ich malte deine üppigen Formen, ich malte dein Gesicht mit den reinen Linien, die arrogante Gebärde deiner Nase, die abgerundete Masse deiner Brüste, wie zwei auf der Kippe liegende Dünen, ich malte deine ruhenden Hände, deine ausgestreckten Beine, deinen Bauchnabel wie eine Wasserstelle auf der Wölbung deines Bauchs. Die Widerspiegelungen der Saône zitterten an der Decke, auf den Wänden, glänzten in deinen Augen, die zusahen, wie ich dich malte; die roten Widerspiegelungen des Aufstands, der draußen wütete, zitterten auf der leuchtenden Oberfläche meiner Tusche, nur auf der Oberfläche, ohne dass etwas in sie eindringen konnte. Meine Tusche wurde dickflüssiger. Ich malte dich, während du mich ansahst, mit einer Tusche, die allmählich zäher wurde. Der Pinsel tauchte in die Schale und nahm nichts von den roten Spiegelungen auf, die über die Oberfläche der Tusche glitten, und auch auf dem Papier ließ er nichts davon zurück, nur die Spur deiner herrlichen Formen. Ich beendete das Bild. Ich hatte dein unglaubliches Haar abgebildet, indem ich das Papier unversehrt ließ, nichts darstellte. Ich spülte den Pinsel ab, damit er nicht eintrocknet und mir noch lange dienen kann, wieder und wieder, damit ich dich immer wieder malen kann.
    Ich ging zu dir. Ich war nackt, so hatte ich dich gemalt, mein Glied hatte mich nicht gestört; es hatte auf meinem Schenkel geruht und ich hatte gespürt, wie es pochte. Und als ich mich neben dich legte, glitt es hinab, schwoll an und wurde hart. Der Kontrast zwischen deinen grauen und weißen Haaren, dem Schwanenflaum, deinem lebhaften Mund und deinem üppigen Körper rührte mich über alle Maßen. Ich ging auf dich zu, nahm dich in die Arme, du nahmst mich auf, ich drang in dich ein.
    Draußen ging der Aufstand weiter. Man hörte Geschrei, verzweifeltes Gerenne, Zusammenstöße, Sirenen und Explosionen. Die roten Widerspiegelungen der Saône zitterten an der Decke. Der zähe Fluss setzte seinen Lauf fort, ohne je innezuhalten. Der Blutstrom fließt dahin. Die alten Rechnungen sind beglichen. Ein von Feuersbrünsten geröteter dunkler Fluss floss ganz langsam durch die Stadt. Dieser ununterbrochene, gleichgültige Strom rettete mich. Es gefiel
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