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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
Autoren: Alexis Jenni
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wenig nutzen wie uns. Sie sind nicht sehr zahlreich, genau wie wir es waren, und die Typen hinter denen sie herjagen, werden ihnen im Dschungel der Treppen und Keller immer entkommen, außerdem ist deren Nachwuchs unendlich groß, sobald sie welche festnehmen, werden diese durch andere ersetzt; sie zu schnappen, bringt neue hervor. Sie werden eine Niederlage erleben, wie wir sie erlebt haben, dieselbe verzweifelte, bittere Niederlage, denn auch wir besaßen die nötige Stärke.«
    Es hat Gewaltausbrüche gegeben. Anfangs waren sie noch ziemlich harmlos, ein Überfall auf ein Spielkasino, also auf ein Unternehmen, das damit rechnen muss, überfallen zu werden, und das Maßnahmen gegen solche Unbilden ergreift, nicht auf eine Bäckerei. Ein Typ war zum Gangster geworden. Er wollte das Geld dort nehmen, wo es sich anhäuft, und hatte keine Lust zu arbeiten, um es sich nach und nach zu verdienen. Mit liberaler Logik lässt sich das ohne weiteres erklären, ohne in Zorn auszubrechen und ohne eine Moralpredigt zu halten: Es handelte sich nur um die Einschätzung eines rationalen Wirtschaftssubjekts, was die Bilanz seiner Gewinn- und Verlustrechnung betrifft. Doch die Sache ging schief. Nach einer Verfolgungsjagd und ein paar Schüssen war der Gangster tot. Dabei hätte man es bewenden lassen können, aber seine Abstammung wurde bekanntgegeben; von allen Seiten wurde einmütig über seine Abstammung geredet. Man brauchte nur seinen Vornamen und seinen Namen zu nennen und schon war seine Herkunft klar. Aus diesem toten Gangster, der mit einer Kugel im Leib auf dem Betonvorplatz einer Großraumsiedlung lag, machte man einen von «denen«; aus einem Problem, das vor allem etwas mit Mikroökonomie zu tun hatte, machte man einen Zwischenfall der Geschichte. Darin waren sich alle einig. Und anschließend ging man davon aus, dass sie kommen würden; dass sie mit einer Waffe in der Hand kommen würden, um sich die in der Stadt angehäuften Reichtümer anzueignen.
    Das muss wohl daran liegen, dass in der Welt, in der wir leben, die Verteilung der Reichtümer nicht ganz einsichtig ist: sie steht offensichtlich in keiner Korrelation zu den Anstrengungen, die man unternimmt. Daher kann man sich fragen, ob man das, was man verdient hat, nicht gestohlen hat; und man kann sich vorstellen, dass man sich das, was man nicht hat, nehmen muss. Und wenn man die Armen an ihren Gesichtszügen und an der Aussprache ihres Namens erkennt, kann man befürchten, dass einer aus seiner Verwandtschaft sich das wieder nehmen will, was ein anderer ihm genommen hat. Man kann zu der Überzeugung gelangen, dass eine gewisse Gesichtsform, die angeblich ein Verwandtschaftsverhältnis ausdrückt, Genugtuung fordern will. So etwas wird meistens mit Waffen geregelt, aber man könnte es auch mit Sex regeln. Sex würde nach drei Generationen die Gesichtszüge verschwimmen lassen, die Verwandtschaftsbeziehungen durcheinanderbringen und nur die Sprache unversehrt lassen, aber man zieht die Waffen vor. Man steckt die Frauen in schwarze Säcke, schließt sie im Haus ein, verbirgt sie und prunkt mit Waffen. Die Waffen lassen einen in den augenblicklichen Genuss der Stärke kommen. Auf die Auswirkungen des Sex muss man zu lange warten.
    Es gab Gewaltausbrüche. Es hatte recht harmlos begonnen. Ein Überfall, in einer Welt, in der ein Mann ostentativ zeigen kann, dass er tausend Mal, hunderttausend Mal reicher ist als andere; in einer Welt, in der das Geld auf höhnische Weise zur Schau gestellt wird, wo die Wege zu den Orten, an denen man sich bedienen kann, gar nicht so weit, und Waffen nicht allzu teuer sind. Ein Überfall ist eine einfache Lösung, eine rationale, durchführbare Tätigkeit, es werden genug Filme darüber gedreht. Aber in unserer Welt spielt noch ein anderer Faktor eine Rolle: Man sieht den Gesichtern die Herkunft an. Jedes gesellschaftliche Problem wird sofort von einem ethnischen Problem begleitet, und das führt zu einem historischen Unbehagen. Es kommt zu roher Gewalt, ein Funke setzt alles in Brand. Der Aufruhr gärt; der Aufruhr macht Spaß, der Aufruhr kommt.
    Es begann recht harmlos mit einem Überfall. Ein Mann war zum Gangster geworden, er wollte sich bedienen und wurde getötet. Wenn es nur um Geld gegangen wäre, hätte man nicht mehr darüber gesprochen. Aber seine Abstammung wurde bekanntgegeben. Der Überfall, der eine Verfolgungsjagd nach sich zog, löste einen Belagerungszustand aus. Es gab Gewaltausbrüche: mehrere Nächte voller
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