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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
Autoren: Alexis Jenni
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diesen Quatsch der letzten Minute, stellten Fallschirme und Flugzeuge bereit und kamen, um strammzustehen, während wir abflogen. Nach so vielen Jahren Krieg blieb uns nicht mehr viel; in diesem Land, in dem wir alle guten menschlichen Eigenschaften verloren hatten und nichts mehr von der Klugheit und dem Mitgefühl übrig war, die wir einmal besessen hatten, blieb nur noch die bis zum Äußersten gesteigerte furia francese . Die hohen Offiziere kamen mit ihren goldverbrämten Käppis und ihren Orden, stellten sich stumm in einer Reihe an den Rand der Startbahn und grüßten die abhebenden Flugzeuge voller Typen, die ein Onewayticket für die Lager im Dschungel gebucht hatten. Wir wollten gemeinsam sterben, das hätte alles getilgt. Aber leider haben wir überlebt. Wir sind wiedergekommen, verändert, die Seele voller grässlicher Falten, die sich nicht ausbügeln ließen. Die Vietminh haben uns in Lager im Wald gesteckt, uns unzureichend ernährt, uns kaum überwacht, und wir sahen zu, wie wir abmagerten und starben. Wir haben gelernt, dass die stärkste Seele sich selbst zerstören kann, wenn sie Trübsal bläst.«
    Er verstummte eine Weile, weil seine Angelschnur zuckte. Er holte sie ein bisschen zu schnell ein, der blanke Angelhaken wurde sichtbar. Der Fisch hatte den Köder gefressen und hatte sich wieder im Schlamm schlafen gelegt, ohne dass wir ihn gesehen hatten. Salagnon seufzte, befestigte einen neuen Köder am Haken und fuhr ruhig fort.
    »Natürlich haben wir uns in die Höhle des Löwen gestürzt, aber nur, um ihn zur Strecke zu bringen. Die Sache musste zu Ende gehen; wir haben versucht, einen Schock zu provozieren. Dazu ist es zwar gekommen, aber wir haben verloren. Die ganze Sache basierte auf einem Bluff, einem einzigen Schlag, von dem alles abhing. Wir sind in die Berge gegangen, weit weg von Hanoi, um als Köder zu dienen. Wir mussten uns ziemlich schwach zeigen, damit sie kamen, aber stark genug, um sie zu vernichten, sobald sie da waren. Aber wir waren nicht so stark wie wir gedacht hatten, und sie viel stärker als wir sie eingeschätzt hatten. Sie hatten Fahrräder, die sie durch den Dschungel schoben, ich habe sie gesehen, aber das hat mir niemand glauben wollen; meine Geschichte mit den Fahrrädern hat viel Gelächter geerntet. Und während unsere Flugzeuge große Mühe hatten, uns zu unterstützen, weil der Dunst sie blendete und die Wolken sie störten, schoben sie Fahrräder über Bergpfade, um ihre Truppen mit Reis und Munition zu versorgen, ein schier unerschöpflicher Nachschub. Wir waren nicht so stark wie sie. Wir waren nur ein Heer von Trödlern, wir hatten nicht genug Mittel und vor allem nicht genug Material, und daher haben wir das eingesetzt, was unser größter Trumpf war: uns selbst, die schönen menschlichen Kriegsmaschinen, die leichten Luftlandetruppen; wir sind vom Himmel hinabgesprungen in Schützengraben aus Schlamm wie in Verdun, um darin begraben zu werden, bis zum letzten Mann. Wir sind besiegt worden, haben aufgegeben, sind abgezogen. Immerhin haben wir mit Anstand verloren. Aber ich war nicht dabei. Ich habe überlebt. Es wäre besser gewesen, wenn wir alles verloren hätten; dann hätte alles Spätere nicht stattgefunden, dann hätten wir saubere Hände behalten, unser Tod hätte alles gereinigt. Das bedaure ich, auch wenn es absurd klingen mag.«
    Das Licht wurde dichter, drang durch die Häuser aus goldgelbem Stein, der wie durchsichtiger Honig wirkte, der Abend kündigte sich an.
    »Und Ihr Vater?«
    »Ich habe meinen Vater nach 1944 nicht wiedergesehen. Ich habe von seinem Tod erfahren, als ich im Hochland von Tonkin war, durch einen Brief von meiner Mutter, der mich erst nach Monaten erreicht hat, er war ganz gewellt, die Ränder von der Reibung abgenutzt, die Tinte auf mehreren Linien verwaschen, als hätte sie beim Schreiben geweint, dabei wusste ich genau, dass es vom Klima des Dschungels kam, in dem ich mich befand. Ich glaube, er ist an einem Herzschlag gestorben. Es hat mich kaum berührt, dass er tot war. Meine Mutter habe ich erst nach dem Algerienkrieg wiedergesehen, ganz klein und abgemagert, und sie erinnerte sich an nichts mehr. Sie hat ein paar Monate in einem Altersheim gelebt, wo sie den ganzen Tag sitzen blieb, ohne ein Wort zu sagen, ausdruckslos, mit leerem Blick und leicht aus den Höhlen getretenen Augen; ihr Gehirn funktionierte nicht mehr richtig und behielt nichts mehr, sie ist gestorben, ohne etwas davon zu merken. Ich hatte zuvor nie
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