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Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Titel: Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)
Autoren: Enrico Coen
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tendieren Bäume mit süßen Äpfeln zu effizienterer Reproduktion als Bäume mit sauren Äpfeln, so dass sich der Anteil süßer Apfelbäume allmählich erhöht. Genauso ergibt sich beim Roulette eine bestimmte Gewinn- oder Verlustrate aus einer Serie (Population) von Spielen und nicht aus einem individuellen Spiel. Bei der natürlichen Selektion geht es um Überlebens- und Reproduktionsraten einer Population, und nicht um das Geschick von ein oder zwei Individuen. Die natürliche Selektion ist ein statistischer Prozess auf der Grundlage der Populationsvariabilität.
DAS PRINZIP DER PERSISTENZ
    Am Donnerstag, den 12. September 1940 erkundeten vier junge Franzosen in der Nähe der Gemeinde Montignac ein Loch unter einem entwurzelten Baum. Sie hatten eine Lampe mitgebracht, weil das Gerücht ging, das Loch führe in einen unterirdischen Gang. Als die Jungen sich in das Loch hinuntergelassen und ihre Lampe angezündet hatten, erblickten sie eine Folge unterirdischer Höhlen, deren Wände mit Tiermalereien bedeckt waren. Sie waren in eine der atemberaubendsten Stätten prähistorischer Kunst hineingestolpert, dieHöhlen von Lascaux. Diese Malereien haben in bemerkenswert gutem Zustand mehr als 10000 Jahre überdauert. (Abb. 2)
    (2) Höhlenmalerei in Lascaux, Frankreich, 15000–10000 v. Chr.
    Dass diese Malereien so lange erhalten blieben, zeugt von der Stabilität der Felsen und der Pigmente. Wir haben hier ein Zeugnis von der Dauerhaftigkeit der molekularen Kräfte, die den Felsen zusammenhalten und die Farbe an seiner Oberfläche kleben lassen. Doch selbst wenn ein Unglück geschehen sollte und die Höhlen von Lascaux zerstört würden, hätten wir noch immer eine Vorstellung davon, wie die Malereien aussahen. Das verdanken wir einer anderen Art der Persistenz: Fotografien auf Negativen, Positiven und in digitaler Form konservieren die Bilder aus Lascaux auf ihre Art. Auch diese Form der Persistenz hängt von molekularen Kräften ab, nämlich von denen, die die Moleküle in den Fotografien oder elektronischen Geräten am Zerfall hindern. Eine zusätzliche Sicherheit liegt hier in der Vielzahl, denn die Information kann umfangreich kopiert und verbreitet werden. Deshalb können Millionen von Menschen, obwohl sie die Höhlen nie besichtigt haben, die Malereien auf den vielen verfügbaren Reproduktionen dennoch bewundern.
    Beide Formen der Persistenz (molekulare Bindekraft und Kopieren) sind auch bei der Darwin’schen Evolution zentral. Würden Organismen nicht durch molekulare Kräfte zusammengehalten, sondern ständig zerfallen, so könnte es zu keiner Evolution kommen, weil es dann die eigentlichen Organismen gar nicht gäbe – genauso wenig wie eine DNA. Die Basen in der DNA werden durch Kräfte am Rückgrat der Molekularkette in einer Sequenz zusammengehalten. Gäbe es diese Kräfte nicht, so gäbe es keine DNA-Sequenz und auch keine Gene.
    Auch über die Replikation (das Kopieren) kann die DNA-Sequenz erhalten bleiben. Die DNA jedes Chromosoms besteht aus zwei Strängen, die zueinander passen: Sie sind komplementär zueinander, so wie in der Fotografie Negativ und Positiv. Wo auf einem DNA-Strang ein A sitzt, findet sich auf dem gegenüberliegenden Strang ein dazu passendes T. Beide zusammen bilden ein so genanntes AT-Basenpaar. Genauso stehen sich G und C immer gegenüber und bilden ein GC-Basenpaar. Die Basensequenz eines einzelnen Strangs enthält also alle nötigen Informationen, um die Sequenz des komplementären Strangs vollständig zu bestimmen – die Sequenz AGCT auf einem Strang bestimmt die Sequenz TCGA auf dem anderen Strang. Es ist, als würden das Negativ und das Positiv einer Fotografie immer im Paar auftreten. Zur Replikation kommt es nun, wenn zwei DNA-Stränge voneinander getrennt werden und jeder einzelne als Schablone für die Bestimmung eines Komplementärs dient, so dass aus einem DNA-Molekül zwei werden – der positive Strang dient dem Aufbau eines negativen Partners, während der negative Strang einen neuen positiven Partner generiert. Dieser Kopiervorgang läuft bei jeder Zellteilung ab, so dass schließlich beide Tochterzellen eine vollständige Kopie des Genoms enthalten. Über das Kopieren der DNA kann die enthaltene Information verbreitet und von einer Generation an die nächste weitergereicht werden.
    Wie wir bereits beim Prinzip der Populationsvariabilität gesehenhaben, ist die DNA-Sequenz nicht gänzlich unveränderbar. Durch Beschädigung oder Fehler bei der Replikation
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