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Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Titel: Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)
Autoren: Enrico Coen
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bestimmte Merkmale eines Individuums aus, zum Beispiel auf den Geschmack seiner Äpfel oder die Farbe seiner Augen.
    Am DNA-Abschnitt kann es manchmal zu geringfügigen Veränderungen kommen; zum Beispiel kann ein C an einer bestimmten Position durch ein T ersetzt werden. Solche Mutationen werden zum Beispiel dadurch ausgelöst, dass die DNA einer Strahlung ausgesetzt ist oder dass bei der Replikation des DNA-Moleküls ein Fehler unterläuft. Tritt eine DNA-Mutation an einer Zelle auf, die zur Eizelle oder zum Spermium wird, so kann sie an die nächste Generation weitergereicht werden; damit wird ein Mutationsgen in die Population eingeführt. Da die Eigenschaften eines Individuums von seiner DNA-Sequenz abhängen, kann das zu erblichen Variationen in der Population führen, etwa zu variierendem Zuckergehalt oder variierenden Augenfarben.
    Bei den zu erwartenden Varianten bestehen freilich bestimmte Grenzen. Es gibt keine Mutationen, die zu blauäugigen Äpfeln führen. Denn Variabilität tritt immer in einem bestimmten Kontext auf, bezogen auf eine bestimmte DNA-Sequenz, ein bestimmtes Genom. Ausgehend vom Genom eines Apfelbaums können wir Mutationen beobachten, die verschiedene Apfelsorten hervorbringen, aber es wird nicht zu Mutationen kommen, die zu menschlichen Merkmalen wie Augen führen. Die mögliche Variabilität wird von dem Genom und dem Organismus definiert, von dem wir ausgehen, also vom Kontext.
    Wann und an welcher Stelle der DNA eine Mutation auftritt, ist unvorhersehbar. Betrachten wir aber eine Population vieler DNA-Moleküle, so können wir die Wahrscheinlichkeit einer Mutation an einer bestimmten Stelle benennen. Diese Wahrscheinlichkeit ist normalerweise sehr gering, etwa eins zu einer Milliarde Zellteilungen. Da aber die DNA so lang ist und eine Population aus vielen Individuen besteht, kommt es doch immer wieder dazu. Obwohl also eine einzelne Mutation sehr selten ist, kommt es in Populationen ständig zu Mutationen – und das bewirkt die genetische Variabilität.
    Außer durch Mutation wird die genetische Variabilität auch durch die Geschlechtlichkeit gefördert. Das Genom ist eigentlich nicht ein einziger DNA-Strang, sondern unterteilt sich in mehrere getrennte DNA-Stücke, die so genannten Chromosomen. Bei Organismen, die sich geschlechtlich fortpflanzen, treten diese Chromosomen immer paarweise auf, und bei der Fortpflanzung bekommen wir von jedem der Elternteile eines. Sie zum Beispiel besitzen in Ihrem Genom 23 mal zwei Chromosomen. 23 dieser Chromosomen haben Sie von Ihrem Vater geerbt und 23 von Ihrer Mutter. Die Paare werden von einer Generation zur nächsten durchmischt wie ein Stapel Spielkarten, wenn Spermien beziehungsweise Eizellen produziert werden. Daher werden bei der Befruchtung einer Eizelle die Chromosomen ganz neu kombiniert, und die genetische Variabilität in der Population steigt damit an. Zu neuen Genkombinationen kann es auch durch Austausch zwischen einzelnen Chromosomen kommen. Während der Spermien- oder Eizellenproduktion werden Verbindungen innerhalb des Chromosoms aufgebrochen und neu zusammengefügt, so dass Abschnitte davon durch den entsprechenden Abschnitt des Partnerchromosoms ersetzt werden. Durch diesen Vorgang der Rekombination kommt es in der Population zu einer weiteren Erhöhung der Genvariabilität.
    Erbliche Variabilität wird also beständig generiert; sie stellt ein Grundmerkmal aller Organismen dar. Diese Variabilität ist das erste Grundelement der Statistik. Nun kommen wir zum zweiten Element – dem Verhalten der Population.
    Die natürliche Selektion beruht auf der Variabilität innerhalb einer aus vielen Individuen bestehenden Population. Nehmen wir wieder das Beispiel, bei dem der Anteil von Bäumen mit süßen Äpfeln graduell ansteigt, weil er von den Bären effizienter verbreitet wird. Wichtig ist hier, was mit der Population als Ganzer, und nicht, was mit dem einzelnen Individuum passiert. Ein bestimmter Baum mit sauren Äpfeln könnte nämlich zufällig sehr wohl mehr Nachkommen haben als ein einzelner Baum mit süßen Äpfeln. Dieser Baum mit sauren Äpfeln könnte zum Beispiel zufällig auf einem besonders fruchtbaren Stück Boden im Wald stehen, oder aber ganz in der Nähe einer Bärenhöhle. Egal, wie es sich erklären lässt – dieses individuelle Ergebnis ist für die natürliche Selektion nicht entscheidend, denn hier zählt das durchschnittliche Reproduktionsverhalten der Gesamtpopulation. In der Gesamtpopulation
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