Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Titel: Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)
Autoren: Enrico Coen
Vom Netzwerk:
grüne Fächer, unsere Gewinnchancen sinken also noch etwas mehr). Langfristig werden Sie also mit dem Setzen auf Rot tendenziell verlieren, weil die Gewinnchance nur 18:37 beträgt, also etwas weniger als 50 Prozent. Über diese kleine Abweichung können Casinos überhaupt Geld verdienen. Casinos funktionieren auf Grundlage der Statistik.
    Statistisches Denken basiert auf zwei Grundbegriffen. Zunächst auf dem Begriff der Variabilität oder Fluktuation. Für jede Drehung des Roulettekessels gibt es eine Reihe möglicher Ergebnisse. Genau diese Variabilität liefert den Ansporn für das gesamte Spiel. Wir nennen diese Art der Fluktuation manchmal zufällig, weil das einzelne Ergebnis für sich genommen nicht vorhersagbar ist. Das bedeutet aber nicht, dass jedes beliebige Ergebnis möglich ist. Die Kugel fällt nie in ein blaues oder orangefarbenes Fach, denn diese Farben sind auf dem Roulettetisch gar nicht vorhanden. Und wenn wir eine Münze werfen, geht es um Kopf oder Zahl, nicht um Rot oder Schwarz. Die Variabilität besteht immer innerhalb eines bestimmten Kontexts.
    Neben der Variabilität ist der zweite Grundbegriff der Statistik die Population. Obwohl sich nicht vorhersagen lässt, was bei einem einzelnen Spiel passiert, lässt sich bestimmen, dass über sehr viele Spiele hinweg die Gewinn- oder Verlustrate einen bestimmten Wert erreicht. Fasst man eine Population oder Grundgesamtheit vieler Ereignisse zusammen, so zeichnen sich definierte Eigenschaften ab, etwa die Gesamtrate von Gewinnen und Verlusten. Der Begriff einer Population bedeutet, dass die Ereignisse gewissermaßen aneinander gebunden sind. Die Spielergebnisse eines Roulettekessels mit 38 Fächern können nicht zu derselben Population gerechnet werden wie die eines Kessels mit 37 Fächern. Auch Ergebnisse des Würfelns wird man nicht mit denen eines Roulettekessels vergleichen, wenn man Wahrscheinlichkeiten berechnet. Jede Population beruht auf einem bestimmten Identifikationskriterium, das festlegt, was zu der Population gehört und was nicht.
    Bei statistischen Berechnungen werden zwei Arten von Einheiten in Bezug zueinander gesetzt: das Individuum und die Population. Vorstellen kann man sich das als den Vergleich unterschiedlicher Maßstäbe. Bei hoher Auflösung sehen wir individuelle, fluktuierende Ereignisse (bestimmte Drehungen des Rouletterades); bei geringer Auflösung erkennen wir das Verhalten der Population als Gesamtheit (eine Gesamtrate über Gewinn und Verlust). Über die Statistik lassen sich Ereignisse des einen Maßstabs in Beziehung zum anderen Maßstab setzen. Das Verhalten der Gesamtpopulation können wir als kollektiven Mittelwert aus den Varianten der Ereignisse im individuellen Maßstab begreifen. In der Tat bildet die Statistik eines der wirkungsvollsten Werkzeuge, um unterschiedliche Ebenen oder Maßstäbe miteinander zu verknüpfen und so in ein Problem hinein- und wieder herauszuzoomen.
    Auch die natürliche Selektion ist ein statistischer Prozess, bei dem die Paarbegriffe Variabilität und Population greifen. In diesem Fallbetrifft die Variabilität Unterschiede zwischen Individuen. Um bei dem oben beschriebenen Beispiel zu bleiben: Einige einzelne Apfelbäume bringen süßere und andere weniger wohlschmeckende Äpfel hervor. Die Population ist eine Gruppe von Individuen, nämlich die Gesamtheit der sich miteinander kreuzenden Apfelbäume des Waldes. Die natürliche Selektion erklärt, wie durch die Kumulation der Variationen im individuellen Maßstab (dem Fortpflanzungserfolg unterschiedlicher Apfelbäume) Ereignisse im Maßstab der Population zu Stande kommen (eine höhere Frequenz von Bäumen mit wohlschmeckenden Äpfeln). Betrachten wir zunächst die Frage, wie es zu der Variabilität überhaupt kommt.
    Erbliche Abweichungen werden über die DNA weitergegeben, ein langes Molekül aus zwei ineinander verdrehten Strängen. Auf jedem DNA-Strang gibt es vier verschiedene Einheiten, die so genannten Basen, die im DNA-Alphabet mit vier Buchstaben bezeichnet werden: A, T, G und C (Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin). Die DNA einer Pflanze oder eines Tiers, sein so genanntes Genom, kann Milliarden solcher Basen enthalten, die in einer bestimmten Sequenz aneinandergekettet sind. Und wie ein langes Textstück in Wörter unterteilt ist, so lässt sich auch jedes Genom in DNA-Abschnitte unterteilen, die so genannten Gene. Menschen zum Beispiel verfügen in ihrem Genom über etwa 25000 Gene. Jedes Gen wirkt sich auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher