Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin
Autoren: Brigitte Melzer
Vom Netzwerk:
und langem, blonden Haar; was jedoch den Charakter anging … Max war ein netter Kerl, so nett, dass ich mich fragte, wie um alles in der Welt er mit einer Zicke wie Kim zusammen sein konnte. Wenn es jemanden gab, den ich als meine Erzfeindin bezeichnet hätte, dann auf jeden Fall Kim. Seit ich im letzten Jahr nach Holbrook Hill gekommen war, versuchte sie mir das Leben zur Hölle zu machen. Max war damals ebenfalls neu an der Schule gewesen. Um uns nicht völlig ausgeliefert zu fühlen, hatten wir uns zusammengetan. Es war schnell klar gewesen, dass Max’ Platz im Kreise der beliebten Leute war, trotzdem hatte er mich am Ende der ersten Woche gefragt, ob ich mit ihm ausgehen wollte. Ich hatte ihn dazu nicht ermuntert, und wie jedem anderen auch, seit meiner Erfahrung mit Jake, hatte ich ihm einen Korb gegeben. Kim war vom ersten Tag an auf Max abgefahren und schien mir die Schuld daran zu geben, dass er sich erst für sie zu interessieren begann, nachdem ich ihm eine Abfuhr erteilt hatte. Seitdem stand ich an der Spitze ihrer persönlichen Hassliste, woran sie mich beinahe täglich durch spitze Bemerkungen, diverse Gemeinheiten oder persönliche Übergriffe erinnerte.
    Bisher war es mir gelungen, mich zurückzuhalten, in letzter Zeit jedoch fiel es mir mit jedem Mal schwerer, ihre Demütigungen still zu ertragen. Im Gegensatz zu meiner Mom war mein Herz nicht aus Gold und ich würde auchnicht davor zurückschrecken, meine Magie gegen Kim einzusetzen. Wenn ich es geschickt anstellte, brauchte ich mir nicht einmal Sorgen zu machen, erwischt zu werden. Meine Magie war anders als Moms. Schwächer und von einem Detektor kaum auszumachen. Ich konnte weder heilen noch Gegenstände teleportieren oder verschwinden lassen.
    Das erste Mal hatte sich mein Talent gezeigt, als ich zehn war. Damals war ich sehr wütend auf ein Mädchen im Heim gewesen, das mir ständig die Spielsachen weggenommen hatte. Ich wünschte mir inständig, dass es ebenfalls keine Spielsachen mehr haben sollte. Und mein Wunsch ging in Erfüllung. Sie begann ihre Spielsachen zu verlieren, und was nicht verloren ging, ging kaputt, sobald sie es in die Hand nahm. Zum Glück kam niemand auf den Gedanken, dass Magie im Spiel sein könnte – ich hatte ja selbst keine Ahnung –, denn das Mädchen war noch nie besonders sorgsam mit seinen Sachen umgegangen.
    Für mich war klar, dass sich meine Wünsche erfüllten. Damals hatte ich begonnen, mir alle möglichen Dinge zu wünschen – allen voran, dass meine Eltern zurückkämen. Nichts davon ist in Erfüllung gegangen.
    Erst als ich vor einem Jungen, der mich verprügeln wollte, auf einen Baum flüchtete und er, nachdem ich mir gewünscht hatte, dass er mich nicht erwischen würde, vom Baum fiel, ahnte ich, womit ich es zu tun hatte. Mom hatte mir einmal von den verschiedenen Gesichtern der Magie erzählt und ganz allmählich dämmerte mir, dass es keine Wünsche waren, die wahr wurden. Stattdessen war ich in der Lage, Flüche zu weben.
    Heimlich begann ich mit meinen Fähigkeiten zu experimentieren. Im Laufe der Jahre gewann ich ein ziemlich genaues Bild davon, wie meine Magie funktionierte und auf welche Weise sie sich anwenden und sogar verstärken ließ.Vieles davon geschah intuitiv, anderes hatte ich mir aus Büchern angelesen, die ich auf dem Schwarzmarkt gekauft und nach dem Studium sofort wieder vernichtet hatte. Wann immer ich meine Magie einsetzte, achtete ich darauf, dass die Flüche nicht zu mir zurückverfolgt werden konnten. Meistens jedoch merkten die Menschen nicht einmal, dass ich sie verflucht hatte. Sie gingen schlicht von einer Pechsträhne aus.
    Ich warf einen Blick zu Kim. Sie hatte ihren Stammplatz erreicht und sich im Kreis ihrer In-Freunde niedergelassen. Obwohl sie bereits ins Gespräch vertieft war, warf sie mir immer wieder einen Seitenblick zu. Wäre sie eine Zauberin gewesen, hätte ich vermutlich tot umfallen müssen.
    Ich aß mein Rührei auf, obwohl es mittlerweile kalt geworden war, warf Besteck und Serviette auf den Teller und stand auf. Ich hatte gerade meine Tasche geschultert, als der Lautsprecher knackend zum Leben erwachte.
    »Raine MacDaniels«, erklang die blecherne Stimme der Schulsekretärin, »kommen Sie bitte in Direktor Jenkins’ Büro.«
    Ich erstarrte.
    Ty sah mich an. »Was hast du ausgefressen?«
    Abgesehen davon, dass ich eine Zauberin war? Nichts. Zumindest nichts, von dem ich wusste. Wie in Trance und ohne die Kommentare der anderen zu beachten, brachte ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher