Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin
Autoren: Brigitte Melzer

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unternehmen. Treten Sie zur Seite, Sir.« Seine höflichen Worte änderten nichts an der Kälte, die seine Stimme mit jeder Silbe verbreitete.
    Als Dad sich nicht rührte, richteten die Männer ihre Waffen auf ihn. Einer trat vor. Er wollte zu Mom, bevor er sie jedoch zu fassen bekam, stürzte Dad sich auf ihn. Ein furchtbarer Knall durchschnitt die Luft, gefolgt von einem dumpfen Schlag, als Dad zu Boden stürzte. Moms Schreie füllten die Dunkelheit im Schrank bis in den letzten Winkel aus. Zwei der Schwarzen packten sie und zerrten sie aus dem Zimmer. Mein Blick war auf Dad gerichtet. Er lag still da, als würde er schlafen. Unter seinem Kopf breitete sich eine rote Lache aus.
    Mit einem Schrei fuhr ich aus dem Schlaf und sah mich schwer atmend um. Es war dunkel und für einen Moment glaubte ich, noch immer in jenem Schrank zu sitzen, in dem ich mich als Fünfjährige versteckt hatte. Allmählich jedoch schälten sich die vertrauten Umrisse meines Zimmers aus der Finsternis. Schrank. Schreibtisch. Kommode. Badezimmertür. Ich saß aufrecht in meinem Bett, verheddert in schweißnasse Laken, und kämpfte gegen die Gespenster der Vergangenheit an. Einen Kampf, den ich seit zwölf Jahren vergeblich führte. Die Erinnerung an jenen Tag, an dem mein Vater vor meinen Augen gestorben und meine Mutter für immer aus meinem Leben verschwunden war, verfolgte mich jede Nacht.
    Mom war eine Heilerin gewesen, sie hatte Menschen geholfen, gegen deren Krankheiten die Schulmedizin nichts mehr ausrichten konnte, und ihnen neue Hoffnung gegeben. Die Behörden interessierte es nicht, dass sie mit ihrer Gabe Gutes tat. Für sie war Mom nur eine Zauberin – ein magisch begabtes Individuum, wie es das Gesetz nannte. Jenes Gesetz, nach dem jegliche Form von Magie strengstens verboten war.
    Ich hatte nie herausgefunden, woher die Magiepolizei von Moms Arbeit gewusst hatte, war mir aber ziemlich sicher, dass einer ihrer Patienten sie verraten hatte. Jemand, dem sie geholfen hatte!
    Die Ausübung von Zauberei war eines der größten denkbaren Verbrechen und wurde gnadenlos verfolgt. Dabei hatte es schon immer Magie gegeben und die meisten hatten die Arbeit der Zauberer durchaus zu schätzen gewusst. Anfang des 18. Jahrhunderts jedoch war man einer Verschwörung auf die Spur gekommen. Zaubernde hatten sich zusammengeschlossen und schmiedeten Pläne, Königin Anne zu stürzen und die Herrschaft über England an sich zu reißen. AufBefehl der Königin wurden die Verschwörer aufgegriffen und hingerichtet.
    Die Bedrohung schien abgewendet, doch niemand hatte damit gerechnet, dass die geplante Machtübernahme der Zauberer weit mehr umfasste, als lediglich die englische Krone an sich zu bringen. Über Jahrzehnte hinweg schmiedeten sie Pläne, die weit über die Grenzen Großbritanniens hinaus reichten. Der gescheiterte Versuch, die Königin zu stürzen, war lediglich der Auftakt zu einer weltweiten Revolution.
    Als Jahrzehnte später bekannt wurde, dass die Verschwörer noch immer im Verborgenen operierten und der Tag näher rückte, an dem sie mit der Umsetzung ihrer Pläne beginnen wollten, entschieden sich die Regierungsoberhäupter der betroffenen Länder für einen umfassenden Präventivschlag. Dieses Mal beschränkten sie sich nicht auf die bekannten Rädelsführer. Unterstützt von magischen Beratern führten sie eine bis dato nie da gewesene Säuberungsaktion durch. Soldaten trieben die Zaubernden und jeden zusammen, der auch nur im Verdacht stand, etwas mit Magie zu tun zu haben, und töteten sie.
    Seitdem ist Magie offiziell verboten. Doch sie ist noch längst nicht ausgerottet. Magische Gegenstände sind selten geworden, erfreuen sich aber gerade deshalb auf dem Schwarzmarkt einer gewissen Beliebtheit. Und noch immer werden Menschen mit magischen Fähigkeiten geboren.
    Menschen wie Mom und ich.
    Etwa hundert Jahre nach der ersten Säuberung gab es erneute Anzeichen für eine Wiederkehr der Magie. Die Mächtigen begriffen, dass sich das Übel nicht mit einer einzigen Aktion dauerhaft ausmerzen ließ. Wieder begannen sie Zaubernde zu verfolgen, um zu verhindern, dass diese erneut erstarken konnten. Anfang des 20. Jahrhunderts gründeten sie schließlich die Einheit zur Aufspürung und Eindämmung magischer Auswüchse. Kurz: Die Magiepolizei. Eine weltweit operierende Einheit, bestehend aus einem Stab von Beamten, die in schicken Büros Informationen verknüpften und Einsätze koordinierten, einer bewaffneten Eingreiftruppe, deren

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