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Die Finsteren

Die Finsteren

Titel: Die Finsteren
Autoren: Bryan Smith
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brachte. Sein Vater schob etliche Überstunden. Zu viele, wie Mark fand. Er konnte einen solchen zeitlichen Aufwand für eine Aufgabe, die stinklangweilig sein musste, nicht nachvollziehen.
    Manchmal glaubte Mark, dass die Veränderung etwas mit ihm zu tun hatte.
    Dann beschlich ihn das Gefühl, dass seine Eltern ihn nicht mehr mochten und schon die Tage zählten, bis er ihnen nicht länger auf der Tasche lag und endlich auszog.
    Die Vorstellung deprimierte ihn.
    Und im Augenblick wollte er nicht deprimiert sein. Es gab vieles, worüber er sich freuen konnte. Zum Beispiel über das Mädchen, das draußen auf ihn wartete. In der Regel ging er sein Leben mit einem Hauch von abgebrühtem Zynismus an, aber durch dieses Mädchen fühlte er sich gut. In ihrer Nähe schien die Welt ein besserer Ort zu sein. Lebendiger. Aufregender. Und wenn sie nicht bei ihm war, verpuffte all das. Seit Neuestem bemühte sie sich spürbar, speziell mit ihm mehr Zeit als mit sonst jemandem in ihrer kleinen Clique zu verbringen. Man brauchte kein Genie zu sein, um sich zusammenzureimen, dass dieses Interesse auf Gegenseitigkeit beruhte. Trotzdem war bisher noch nichts zwischen ihnen gelaufen und Mark hatte das Gefühl, dass der Zeitpunkt, den nächsten Schritt zu wagen, unmittelbar bevorstand.
    Er hatte das Wohnzimmer hinter sich gelassen und stand am Durchgang zur Garage. Die Ziffern auf dem Tastenfeld der Alarmanlage schickten an der Wand neben der Tür ein grelles Grün in die Dunkelheit. Nun kam der heikle Teil. Der Teil, bei dem ihm jede Nacht ein Kloß aus Angst im Hals stecken blieb.
    Bring’s einfach hinter dich .
    Seine Eltern schliefen in der Regel tief und fest, aber das Gesetz der Wahrscheinlichkeit besagte, dass in nächster Zeit entweder sein Vater oder seine Mutter eine unruhige, schlaflose Nacht zubrachten. In ihrem Schlafzimmer befand sich ein identisches Bedienfeld. Ihnen konnte also auffallen, dass jemand die Alarmanlage deaktiviert hatte. Und was dann passierte ... nun, er war nicht sicher, was dann passierte. Vielleicht gar nichts. Immerhin war er so gut wie überzeugt davon, dass ihnen nichts mehr an ihm lag. Andererseits könnten sie auch ausflippen und ihm offiziell verbieten, nachts loszuziehen. Damit wäre er praktisch abgeschnitten von seinen Freunden.
    Und von ihr .
    Das durfte nicht geschehen. Auf gar keinen Fall. Sie kontrollierten ihn nicht länger. Niemand kontrollierte ihn. Aber das hieß nicht, dass er es besonders eilig hatte, eine offene Auseinandersetzung zu riskieren.
    Mark hämmerte den Zahlencode ein. Vier Stellen, jeweils von einem Piepton begleitet, gefolgt von einem lauteren Piepen, das die Abschaltung der Anlage signalisierte. Er entriegelte die Tür, drückte sie hastig auf, eilte in die Garage und zog sie wieder ins Schloss. Es fühlte sich ein wenig merkwürdig an, das Haus ungeschützt zurückzulassen, aber was sollte schon passieren? Schließlich lebten sie nicht mehr in der Großstadt. Ein Einbruch mitten in der Nacht schien ihm im verschlafenen Wheaton Hills ziemlich unwahrscheinlich zu sein.
    Diese kleine innere Debatte führte er fast jede Nacht.
    Es führte zu nichts. Er ging aus und damit hatte es sich.
    Mark öffnete die Tür zum hinteren Garten und machte, dass er wegkam.

4
    »Der Alarm ist deaktiviert. Der Junge zieht wieder los.«
    Sie antwortete nicht sofort. Tom Bell konnte seine Frau vom Bett aus durch die offene Badezimmertür sehen. Nur mit einem schwarzen Stringtanga und schwarzen Schuhen mit Plateausohlen bekleidet stand sie über das Waschbecken gebeugt, um eine frische Schicht grellroten Lippenstift aufzutragen. Er starrte ihren fitten, aber üppigen Körper an und spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. In dieser Nacht trug sie die platinblonde Perücke, die er am liebsten mochte. Neben anderen Farbtönen besaß sie auch violette, neonblaue und silberne Varianten. Wenn sie eine davon trug, stellte er sich vor, eine heiße Punkerbraut zu ficken.
    Lydia kam ins Schlafzimmer stolziert. Sie stieg aufs Bett und kroch auf ihn zu. Die schweren Sohlen der Schuhe hinterließen tiefe Abdrücke in der Matratze. Als sie auf Hüfthöhe über ihm thronte, ein Fuß an jeder Seite seines Oberschenkels, hielt sie inne.
    Er starrte zu ihr hoch. Seine Augen leuchteten in einer Mischung aus Ehrfurcht und extremer Erregung. Ihre Züge blieben ausdruckslos, trotzdem vermittelte etwas an ihrer Haltung distanzierte, fast gelangweilte Verachtung. Aber das gehörte zum Spiel dazu. Gott, wie sehr
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