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Die Finsteren

Die Finsteren

Titel: Die Finsteren
Autoren: Bryan Smith
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Kombinationsschloss seines Spinds. Sie hatten ihn immer noch nicht bemerkt. Das wusste er, weil er noch einmal ihren Namen hörte. Und dazu grölendes, höhnisches Gelächter. Hätten sie ihn gesehen, hätten sie nicht gelacht.
    So schlau waren sie.
    » Ja, die ist ’n echtes Flittchen «, sagte einer der Jungen.
    Darauf folgte noch mehr von diesem vertrottelten Gelächter, dann meinte ein anderer: » Aber Flittchen sind cool. Ich würde sie ficken .«
    Marks Hand löste sich vom Zahlenschloss.
    Weiteres Gelächter.
    Er richtete sich zu voller Größe auf und drehte sich zu ihnen um. Sein Blut brodelte.
    Einer der Jungen gab einen angewiderten Laut von sich. » Du willst eine dieser Stadtschlampen ficken? Davon fällt dir nur der Schwanz ab. Diese Fotzen haben doch so ziemlich alle Geschlechtskrankheiten, die’s gibt .«
    Marks Hände ballten sich zu Fäusten.
    Ich bring dich um, dachte er.
    Ich bring dich verdammt noch mal um .
    Er ging auf sie zu. Räusperte sich. Schlagartig verstummte ihr Gelächter. Sie wandten sich in seine Richtung und die Belustigung verschwand schlagartig aus ihren dämlichen Visagen. Er allein gegen drei von ihnen. Dennoch bestand kein Zweifel daran, wie es ausging. Einer murmelte so etwas wie eine Entschuldigung, bevor er über den Gang in die Sicherheit eines Klassenzimmers flüchtete. Die beiden anderen nahmen sich gerade noch Zeit, die Türen ihres Spinds zuzuschlagen, dann rannten auch sie wie kleine Hosenscheißer davon. Die Angst, die er den Jungen eingejagt hatte, ohne überhaupt eine Drohung auszusprechen – ohne ein einziges Wort zu sagen –, erfüllte Mark mit einer gewissen Befriedigung.
    Allerdings reichte ihm das nicht.
    Den ganzen Tag hatte er darüber gebrütet.
    So durften sie nicht über sie reden.
    Selbst jetzt, viele Stunden später, konnte er nicht aufhören, sich damit zu beschäftigen.
    Bis ein Klopfen an seinem Fenster ertönte.

3
    Drei leise Klopflaute, jeweils mit einer kurzen, bewussten Pause dazwischen. Klopf. Klopf. Klopf . Ganz leicht, fast unhörbar. Es gab einen Grund dafür, weshalb Mark den Fernseher täglich gegen Mitternacht stumm schaltete, und der hatte nichts mit Rücksicht gegenüber seinen Eltern zu tun. Ihr Schlafzimmer befand sich am anderen Ende des großen Hauses, so weit entfernt, dass Lärm keine Rolle spielte. Die Alarmanlage stellte allerdings ein Problem dar. An ihr lag es, dass der Besucher so zaghaft ans Fenster klopfte.
    Mark schwang die Beine über die Seite seines extrabreiten Betts, stand auf und durchquerte das Zimmer mit drei raschen Schritten. Am Fenster schob er zwei Finger zwischen die Lamellen der Jalousie und lugte durch die schmale Lücke. Sie war es. Sie bemerkte, dass er zu ihr hinausspähte, und lächelte. Er spreizte die Finger, verbreiterte die Lücke zwischen den Lamellen und hob den Zeigefinger der anderen Hand.
    Gib mir eine Minute, besagte die Geste.
    Ihr Mund formte das Wort okay .
    Mark starrte sie noch kurz an. Gott, sie ist so unglaublich schön . Dann entfernte er sich vom Fenster und schnappte sich die Schlüssel vom Nachttisch neben dem Bett. Er steckte sie in die rechte vordere Tasche seiner Jeans, griff sich die schwarze Lederjacke von der Rückenlehne eines Stuhls und zog sie hastig an. Danach legte er sich auf den Boden und griff unters Bett, um eine Schachtel mit seinen Sammelkarten von Magic: Die Zusammenkunft herauszuziehen. Er spielte zwar seit einigen Jahren nicht mehr, aber die losen Karten eigneten sich hervorragend, um dazwischen Sachen zu verstecken, die neugierige Eltern nicht finden sollten. Etwa die sieben Gramm Gras in einem eng zusammengerollten Plastikbeutel oder die Halbliterflasche Southern Comfort. Mark verstaute den Alkohol und den Stoff in der Innentasche seiner Jacke, schloss die Schachtel und schob sie zurück unters Bett.
    Er öffnete seine Zimmertür und betrat ein kleines Wohnzimmer. Vor der Wand stand eine Couch, gegenüber hing ein großer Flachbildfernseher. Brettspiele füllten die Fächer eines Bücherregals, und es gab einen Kartentisch, auf dem diese Spiele theoretisch gespielt wurden. Allerdings lag der letzte Spieleabend schon lange, lange Zeit zurück. Mindestens ein Jahr. Eher länger. Das Familienleben hatte sich auf eine subtile Weise verändert, ohne dass er es genau in Worte fassen konnte. Seine Eltern standen sich nicht mehr so nah wie früher. Manchmal glaubte Mark, dass es mit dem Stress zu tun hatte, den Tom Bells Job bei Stanton Manufacturing mit sich
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