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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
Autoren: Giuseppe Furno
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Verbrennungen verwüsteten Gesicht, in dem er jetzt die Züge des Frate wiedererkannte.
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß nichts von den Büchern.«
    Etwas schnellte durch die Luft, dann drang die Spitze des Stiletts in Andreas Brust ein, auf der Höhe des Herzens. Sie bohrte sich zwei Fingerbreit in sein Fleisch, gerade tief genug, um steckenzubleiben wie ein kleiner Pfeil.
    »Ich will die Bücher«, sagte Riccio und drückte auf das Stilett.
    Der Schmerz breitete sich aus, fuhr ihm durch den Körper, und Andrea spürte das Blut, das ihm wie ein kleines Insekt über die Haut lief.
    »Lass ihn in Ruhe, tu ihm nicht weh!«, schrie Jacomo.
    Riccio ging zu ihm, hielt zwei Schritte vor der Wand an.
    »Nun, Alter, sagst du mir, wo diese kostbaren Bücher sind?«
    Schweigen.
    »Ihr Alten habt mehr Mut«, fuhr Riccio schmeichlerisch fort. »Vielleicht weil der Tod euch schon nahe ist und euch begleitet.« Er wartete auf eine Antwort, die nicht kam. »Auch diese Nonne, Eure Freundin, die Äbtissin der Celestia, hat Mut gehabt. Auch sie hat nichts von den Büchern gesagt. Sie ist wirklich sehr würdevoll gestorben, das muss ich anerkennen«, fügte er lächelnd hinzu.
    »Ah! Elender!«, schrie Jacomo und warf sich wütend auf Riccio, der nicht zurückwich. Er begnügte sich damit, ihm mit der Hand, in der er die Pistole hielt, hart ins Gesicht zu schlagen. Jacomo fiel mit einem Röcheln auf die Knie.
    »Der Irrtum in dieser Nacht«, sprach Riccio weiter, den väterlichen Ton eines Lehrers gegenüber seinem Schüler anschlagend, »bestand darin, erst die Nonne und dann das Kind zu töten. Ich bin sicher, dass sie geredet hätte, wenn ich es umgekehrt gemacht hätte.« Er beugte sich zu dem auf dem Boden zusammengekrümmten Alten. »Sag mir, wo die Bücher sind, oder ich bringe deinen Anwalt um.« Seine Stimme zerschnitt die Luft.
    »Verfluchter   …«, stöhnte Jacomo.
    Riccio kehrte zu Andrea zurück und bohrte ihm das Stilett mit dem Geschick des Schlächters einen weiteren Fingerbreit in die Brust.
    »Die Bücher!«, knurrte er vor Andreas Gesicht. »Es fehlt nur noch ein Strohhalm bis zu deinem Herzen!«
    Andrea hielt seinem Blick und der Folter des in seine Brust gepflanzten Eisens stand. »Vor Gott oder auf dieser Erde, dessen sei gewiss, wirst du für all das Böse bezahlen, das du getan hast.«
    »Ja«, erwiderte Riccio ruhig, »aber vorher töte ich dich!«
    Er streckte die Hand zum Griff des Stiletts aus. Andrea schloss die Augen und hörte auf zu denken und zu atmen, um den letzten Schmerz zu empfangen.
    In der Stille ertönte wieder das schaurige Heulen des Windes.
    »Du bekommst die Bücher! Du bekommst sie! Halt ein, um Himmels willen!«
    Mit Jacomos Schrei hörte die Bewegung des Stiletts auf. Riccio wandte sich zum Glasmacher um. Das Eisen ließ er in Andreas Fleisch stecken.
    »Wo sind sie?«
    Jacomo schwieg eine Weile, um seiner Antwort mehr Gewicht zu verleihen.
    »Dort hinten, in dem Ofen«, und mit diesen Worten zeigte er auf den dritten, den kleinsten Ofen, der mit Schamott verkleidet war und eine mit einer Klappe verschlossene Öffnung hatte wie die anderen.
    Riccio musterte ihn misstrauisch, dann warf er einen Blick auf Andrea und ging zu Jacomo.
    »Steh auf. Los!«, befahl er.
    Jacomo stützte sich an der Mauer ab und richtete sich auf. Sein Gesicht schmerzte von dem Schlag. Sofort spürte er den Lauf der Pistole zwischen seinen Schulterblättern. Er hatte keine Angst, er war nicht verzweifelt, er hatte alles getan, was er tun konnte. Er fürchtete nur um Andrea. Denn er selbst kannte das Feuer, er hatte es am eigenen Leib gespürt. Er lauschte auf das kräftige Fauchen des Windes. Schließlich habe ich dieses Spiel schon als Kind gelernt, dachte er. Sicher, mit dem »Stillen« hatte er es niemals zu spielen gewagt. Es war Ermonia gewesen, die dem kleinsten Ofen diesen Namen gegeben hatte. Wegen seines Gewichts und der Klappe aus Gusseisen und Schamott, durch die kein Hauch, kein Brodeln des Feuers, das darin glühte wie die Sonne, nach außen drang. Er war der heißeste der drei Öfen, denn in seinem Bauch musste das Glas kochen, damit es Luft und Unreinheiten ausspuckte und klar wurde, durchsichtig wie die Luft.
    Jacomo kam vor dem Stillen an. Nur das erfahrene Auge und Ohr eines Glasmachers hätte bemerkt, dass darin der Drache wütete.
    »Die Bücher sind da drin?«, fragte Riccio argwöhnisch.
    »Dort sind sie.«
    Zögern. Dann drückte die Pistole gegen Jacomos Nacken.
    »Los, mach auf!«,
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