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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
Autoren: Giuseppe Furno
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überlassen, die Ebbe und die Flut nicht bekämpfen.
    »Zwanzig Jahre später«, fuhr Jacomo fort, »1539, wurde ich von Pietro Loredan gerufen, um die Fenster des Palazzo San Pantaleone zu erneuern. Ich sah Lucrezia wieder. Sie überwachte die Arbeiten.« Seine Stimme zitterte. Er seufzte. »Sie leitete die Arbeiter an, als wäre sie der Baumeister. Sie wusste alles, kannte sich mit allem aus.« Er lächelte schwach. »Es war, als hätten wir uns erst gestern getrennt. Wir versuchten zu widerstehen, es war zwecklos.«
    Das Feuer brummte im Ofen.
    »Es tut mir leid, Andrea«, sagte Jacomo verlegen.
    Andrea verspürte Schwindelgefühle, er schwankte, dann fand er das Gleichgewicht wieder.
    »Dann war es mein Vater, der Euch bestraft hat«, sagte er. »Er hat Euch mit der Geschichte von den gestohlenen Juwelen das Leben ruiniert. Darum dieser Hass zwischen Euch   …«, die Worte erstarben, als sie diese vergessenen Gefühle berührten.
    Jacomo schien der alte Schmerz das Herz zu zerreißen.
    »Das habe ich auch immer gedacht«, erwiderte er, die Worte abwägend. Er schüttelte den Kopf. »Aber so war es nicht.«
    Eine lange Weile gab es nur ihre Blicke, verwundert der eine, bitter der andere.
    »Wer war es dann?«
    Jacomo antwortete nicht, senkte die Augen und schüttelte leicht den Kopf.
    »Ich bitte Euch, sagt es mir. Wenn ihr es wisst«, flehte Andrea beinah.
    Jacomo zögerte lange. »Euer Bruder   …«, murmelte er schließlich fast beschämt.
    »Alvise?«, rief Andrea ungläubig aus.
    Jacomo nickte, dann hellte sich seine Miene ein wenig auf. »Er ist vor einiger Zeit zu mir gekommen, um mich um Verzeihung zu bitten und mir eine Entschädigung   …« Jacomos Worte erstarben, als er Andreas Blick verfolgte.
    Entsetzt starrte Andrea auf einen Punkt hinter ihm. Der Glasmeister wandte sich um.
    Etwa zehn Schritt entfernt, dort, wo das Licht der Laterne vom Dunkel verschluckt wurde, zeichnete sich die noch dunklere, reglose Silhouette eines Menschen ab.
    »Sehr erfreut, Euch wiederzusehen, hochverehrte Signori!«, kam die Stimme des Unbekannten aus dem Schatten. Er näherte sich und trat in den Lichtkegel. Er trug einen dunklen Umhang, das gelbe Wams und die Mütze eines Ruderers. In der Hand hielt er eine Pistole, mit der er auf sie zielte.

37
    Am Hanfgeruch und durch die Berührung hatte Sofia Ruis erkannt, dass diese Segel aus der Umgebung von Turin kamen. Feinste Machart, zweifädig gewebt, mit Verstärkungen aus einer doppelten Lage Stoff um die Ösen für das Reffen bei starkenWinden oder Stürmen. Zusammen mit Clara Pozzo, der einzigen Segelnäherin, die den Mut gehabt hatte, bei der Unternehmung mitzumachen, faltete sie seit drei Tagen Segel, nähte und besserte aus, richtete Bindsel, Lieken und Beschlagseisinge, bereitete die Hanfsäcke zum Schutz der Segel vor, indem sie vergiftete Köder gegen die Ratten hineintat, und versah eine große Anzahl Rahsegel, Klüver, Focksegel, Lugger, Sprietsegel, Gaffer, Sturmuntersegel und Vormarssegel mit Nummern. Die Segelkoje war am Bug eingerichtet worden, wo der Fockmast sich mit dem Bootskörper verbindet, unterhalb des zweiten Kanonendecks. Der Reeder hatte keine Kosten gescheut, und wenn auch in verkleinertem Maßstab, so verfügte der in ein Lager und eine Werkstatt unterteilte Raum doch über die nötige Einrichtung, die Werkzeuge und den Stoff, um die Segel in perfektem Zustand zu erhalten oder sogar neue herzustellen, falls erforderlich. Denn das Leben auf diesem Schiff und sein eigenes Überleben hingen nicht nur von der richtigen Lenkung und Harmonie der Manöver ab, sondern vor allem vom richtigen Verhältnis zwischen den Segeln und dem Wind, ob er nun sanft oder drohend war. Segel, Segelnäherinnen und Winde wurden so zum wesentlichen Bestandteil dieser Reise. Ja, trotz der bösen Gerüchte über die Anwesenheit von Frauen an Bord, die jeder Matrose kannte, hatten die achtzig Mann Besatzung sie nur allzu gern empfangen. Und es war kein Problem gewesen, zwei Matrosen zu finden, die den beiden Segelnäherinnen zur Hand gehen sollten. Ihre Unterkunft befand sich im Heck, gleich neben der Kapitänskajüte, um den Frauen einen ruhigen, geschützten Schlaf zu sichern.
    Am Ende der Nacht, als die Glocke zum Wachwechsel läutete, wimmelte es auf dem Schiff schon wie in einem Ameisenhaufen. Im Licht der Laternen sprangen die Männer, die sich bei ihren Arbeitsschichten ablösten, von Deck zu Deck, und kontrollierten zum hundertsten Mal das Material, die Waffen
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