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Die Farben der Sehnsucht

Die Farben der Sehnsucht

Titel: Die Farben der Sehnsucht
Autoren: DEBBIE MACOMBER
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gelesen?“, wollte sie wissen.
    „Äh …“ Ich hatte nur die Schlagzeilen durchgelesen. „Ich habe die erste Seite überflogen. Warum?“
    „Sieh in den Lokalteil.“ Margaret reichte mir die Zei tung. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, machte einen Schritt zurück und beobachtete mich.
    Auf der Seite standen die üblichen Meldungen der Polizei – Einbrüche, Unfälle, Aktivitäten der örtlichen Polizei. Ich wollte nicht zugeben, dass ich die Meldung, die ich offenbar lesen sollte, nicht finden konnte, und zuckte die Schultern.
    Margaret verdrehte die Augen und deutete mit dem Finger auf einen kleinen Artikel ganz unten auf der Seite.
    In der zweiten Zeile der Mitteilung las ich den Namen Danny Chesterfield.
    „Er wurde gefasst“, sagte ich.
    „Scheint so.“ Die Zufriedenheit in Margarets Stimme war nicht zu überhören. „Er wollte wieder ein Fahrzeug stehlen, doch dieses Mal fuhr gerade ein Streifenwagen vorbei. Danny zerrte den Fahrer aus dem Wagen und raste davon. Die Polizei verfolgte ihn.“
    „Er wollte fliehen?“, fragte ich.
    „Womit er einige unbeteiligte Zuschauer in Gefahr brachte“, sagte Margaret. „Zum Glück wurde niemand – nicht einmal der Fahrer – verletzt.“
    „Aber er ist doch nicht entkommen, oder?“
    „Nein“, erwiderte Margaret, die ihre Freude kaum verbergen konnte. „Und der Einzige, der bei dieser Sache in einen Unfall verwickelt wurde, war Mr. Chesterfield selbst.“
    Ich widmete meine Aufmerksamkeit wieder dem Artikel. Offenbar hatte Chesterfield versucht, einem entgegenkommenden Polizeiwagen auszuweichen. Dabei war er ins Schleudern geraten, hatte die Kontrolle über das Auto verloren und sich dann mindestens zweimal überschlagen.
    „ Diese s Mal wird er nicht aus Mangel an Beweisen freikommen“, sagte Margaret. „Und auch die Frage nach einem Alibi erübrigt sich – es würde ihm nicht weiterhelfen.“
    Ich nickte und las weiter. „Hier steht, dass er im Krankenhaus ist.“
    „Gut. Ich hoffe, er hat jede Menge Schmerzen.“
    „Margaret!“
    „Willst du, dass ich lüge?“
    „Nein, aber ein wenig Mitgefühl würde nicht schaden.“
    „ Mitgefühl?“ , wiederholte Margaret. „Ich habe ganz genauso viel Mitgefühl für ihn wie er für meine Tochter gezeigt hat.“
    Ich faltete die Zeitung wieder zusammen und reichte sie meiner Schwester. Eigentlich hatte ich gehofft, meine Schwester hätte Julia zugehört – doch augenscheinlich hatte sie das nicht.
    „Sieh mich nicht so an“, brummte sie.
    „Wie denn?“
    „So, als wäre ich eine Riesenenttäuschung für dich.“
    „Oh, Margaret“, sagte ich und wurde der Diskussion allmählich überdrüssig. „Du bist keine Enttäuschung. Ich mag Danny Chesterfield auch nicht gerade. Er hat Julia wehgetan, und seine Tat hat unsere gesamte Familie belastet. Sogar Mom hat gespürt, dass etwas nicht stimmt.“
    „In dem Artikel steht, dass sein Zustand ernst, aber stabil ist.“
    Das hatte ich auch gelesen. „Er wird es überleben“, murmelte ich.
    „Und das ist auch gut so – denn nach seinem Klinikaufenthalt wandert er ins Gefängnis.“
    Ich nickte. Zu wissen, dass Danny Chesterfield bald weggeschlossen werden würde, weckte kein Mitleid in mir.
    „Weißt du, was Julia sagte, als ich ihr davon erzählte?“, fragte Margaret. Sie wartete die Antwort nicht ab.„Sie meinte, dass es nicht an uns sei, Rache zu nehmen. Danny Chesterfield wird für seine Taten bezahlen. In unserem Rechtssystem oder in einem höheren …“
    Wieder spürte ich, dass meine Schwester noch eine Menge von ihrer Tochter lernen konnte.
    Den ganzen Tag über erwähnten wir Danny Chesterfield nicht mehr. Margaret hängte das „Geöffnet“-Schild in die Tür, schaltete das Licht ein und hielt kurz inne, um Whiskers zu streicheln, der seinen Platz im Schaufenster einnahm.
    Sie hatte die Tür gerade aufgeschlossen, als auch schon unser erster Kunde das Geschäft betrat. Ich hatte den Papierkram noch immer nicht erledigt, also kümmerte Margaret sich um die Beratung.
    Auch an guten Tagen ist Margaret nicht die gesprächigste Person. Doch im Laufe des Tages merkte ich, dass sie stiller wirkte als sonst. Ich wusste, dass unsere kurze Unterhaltung vom Morgen sie noch beschäftigte. Offen gesagt, beschäftigte sie mich auch.
    John F. Kennedy soll einmal gesagt haben, dass wir unseren Feinden vergeben, aber ihre Namen nicht vergessen sollten. Ich würde Danny Chesterfield so schnell nicht vergessen. Doch ich hatte mein Bestes getan,
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