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Die Farben der Sehnsucht

Die Farben der Sehnsucht

Titel: Die Farben der Sehnsucht
Autoren: DEBBIE MACOMBER
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es war ein trauriges, ein resigniertes Lächeln. „Es waren Margarets Töchter, Julia und Hailey.“
    Meine Mutter seufzte. „Oh, natürlich. Was ist nur los mit mir, dass ich meine eigenen Enkelinnen nicht wiedererkenne?“
    „Mach dir keine Sorgen, Mom. Julia und Hailey wissen, wer du bist, und das ist es, was zählt.“ Die Diagnose war inzwischen offiziell. Mom litt an Alzheimer. Im Verlauf der Krankheit würde irgendwann der Zeitpunkt kommen, ab dem meine Mutter mich nicht mehr erkannte. Ich würde damit fertig werden – mir würde keine andere Wahl bleiben. Dann würde ich mich an die junge Frau erinnern, die sie in den 60ern und 70ern war und die ich von Fotografien kannte. Ich würde mich an die Mutter erinnern, die mich zur Schule gebracht und mir meine Halloweenkostüme genäht hatte, würde mich an die gebrochene Witwe erinnern und an die alte Frau, die sie jetzt war. Und an all die zahllosen kleinen Momente mit ihr. Meiner Mutter.
    „Kommt Margaret?“, fragte Mom zögerlich.
    „Bald.“ Meine Schwester würde sie am Montag im Laufe des Tages besuchen. Wir wechselten uns mit den Besuchen ab, was sehr hilfreich war. Ich war Margaret dankbar, und uns um Mom zu kümmern, hatte das Band zwischen uns Schwestern verstärkt.
    „Sie wird einmal ein Star“, sagte Mom.
    Ich wusste, dass meine Mutter über Margarets Highschoolzeit und ihre sportlichen Erfolge sprach. Damals war ich eher diejenige gewesen, die mit geistigen Leistungen geglänzt hatte. Und ich war stolz darauf, dass ich mit meiner Highschoolklasse zusammen den Abschluss machen konnte, obwohl ich beinahe die gesamte elfte Klasse verloren hatte, weil ich gegen den Krebs kämpfen musste.
    Nachdem ich Moms Haar zu Ende gebürstet hatte, war es Zeit für das Abendessen. Jeder der Bewohner wurde von einem Mitarbeiter der Einrichtung in den Speisesaal gebracht. Ich wartete, bis Mom abgeholt worden war, schloss dann ihre Tür ab und ging.
    Brad, Cody und Chase warteten am Green Lake auf mich. Ich liebte den beinahe fünf Kilometer langen Spaziergang um den See. Brad und Cody genossen die Bewegung an der frischen Luft ebenfalls, und Chase zitterte vor Aufregung, als Cody mit ihm loslief.
    „Wie geht es deiner Mutter?“, erkundigte sich Brad.
    Ich dachte an die Frage, die sie mir gestellt hatte – wer Julia und Hailey wären –, und zuckte die Schultern. „Sie ist bester Laune.“
    „Das freut mich.“
    Brad wusste, wie sehr ich mich mit der Entscheidung gequält hatte, Mom so kurz nach ihrem letzten Umzug schon wieder in eine neue Einrichtung zu bringen. Bis Margaret es mir erzählt hatte, war ich mir nicht bewusst gewesen, wie lange meine Mutter schon unter Gedächtnisverlust litt. Doch mein Vater hatte es gewusst und sie gedeckt, so dass ich keinen Verdacht geschöpft hatte.
    Brad und ich gingen Hand in Hand den Weg entlang. Er erzählte, und ich antwortete ihm an den richtigen Stellen – doch mit meinen Gedanken war ich ganz woanders.
    Ich dachte an Carol und ihr Baby.
    Und an Colette.
    Es war ein Schock gewesen, als sie mir erzählt hatte, dass sie schwanger sei. Und verheiratet! Natürlich zog sie aus dem Apartment aus und zu Christian. Das bedeutete, dass ich mich nach einem neuen Mieter würde umsehen müssen – das war in Ordnung für mich. Susannah würde Colette vermissen, aber wie es schien, gefiel Chrissie die Arbeit im Blumenladen und sie wollte den ganzen Sommer über da sein.
    Am meisten beschäftigte mich jedoch die Adoption. Vielleicht wäre ein Baby für Brad und mich unrealistisch – aber es gibt auch ältere Kinder, die ein neues Zuhause und Liebe brauchen. Der Gedanke war mir gekommen, als ich mich mit Alix unterhielt. Der Staat hatte ihre Eltern für ungeeignet erklärt, und Alix war zur Adoption freigegeben worden. Doch sie war schon zu alt, sagte sie, als dass sich ein Paar für sie entschieden hätte. Ein älteres Kind – das war eine Möglichkeit, die Brad und ich uns durch den Kopf gehen lassen sollten.
    „Du bist so schweigsam“, stellte mein Mann fest.
    „Ich habe nur nachgedacht … über einige Dinge.“
    „Sag mir, über was“, entgegnete er.
    Ich wählte den drängendsten Gedanken, der mir im Kopf umherging. „Ich fürchte, dass meine Mutter bald sterben wird“, sagte ich und spürte plötzlich einen tiefen Schmerz. Es war das erste Mal, dass ich diese Angst gegenüber Brad aussprach. Die Gewissheit, bald ohne meine Mutter auskommen zu müssen, hinterließ bei mir ein Gefühl des Verlustes und der
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