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Die Farbe Des Zaubers

Die Farbe Des Zaubers

Titel: Die Farbe Des Zaubers
Autoren: Robert Asprin
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erwies ihrem Gott die schickliche Ehrenbezeugung und zündete das Räucherstäbchen an, das der junge Priester ihr anbot. Sie sprach leise ein Gebet und sah zu, wie der Rauch zu dem offenen Oberlicht emporstieg.
    Als das Stäbchen niedergebrannt war, wandte sie sich an den Novizen. »Würdet Ihr Rashan ausrichten, daß ich hier bin?«
    Er verbeugte sich höflich. »Er erwartet Euch bereits, Lady Chenaya.« Sogleich zog er sich zurück und verschwand in dem Labyrinth von Korridoren, die den Tempelbau durchzogen.
    Rashan, das Auge Savankalas genannt, erschien Augenblicke später. Er war ein grauhaariger alter Mann. Seinen harten Zügen mochte man entnehmen, daß er nicht immer Priester gewesen war. Vielleicht war es auch nur so schwer gewesen, dachte sie, in der Hierarchie der Priester aufzusteigen. Er hatte viele Jahre gebraucht, ehe er sein Amt und seinen Titel erlangt hatte. Tatsächlich war Rashan vor der Ankunft Molin Fackelhalters der Hohepriester des rankanischen Glaubens in diesem Teil des Reiches gewesen.
    Er strich den grauen Bart glatt, und seine Augen glänzten, was selten vorkam. »Lady«, sagte er und nahm ihre Hand. Er ließ sich auf ein Knie fallen und küßte ihre Fingerspitzen. »Mir wurde gesagt, daß Ihr kommen würdet.«
    Sie zog ihn auf die Füße. »Oh, und wer hat Euch das gesagt?«
    Er deutete zum Oberlicht. »Er schickt die Zeichen. Ihr macht keinen Schritt, ohne daß ER es weiß.«
    Sie lachte. »Rashan, Ihr seid zu fromm. Der Sonnenvater hat Besseres zu tun, als ständig über mich zu wachen.«
    Doch Rashan schüttelte den Kopf. »Ihr müßt seine Pläne für Euch akzeptieren, Kind«, mahnte er sie. »Ihr seid die Tochter der Sonne, die Retterin und Hüterin des rankanischen Glaubens.«
    Wieder lachte sie. »Glaubt Ihr das immer noch? Seht mich an, Priester. Ich bin aus Fleisch und Blut. Ich bin keine Priesterin und schon gar keine Göttin. Egal, wie viele Träume Ihr habt, daran wird sich nichts ändern. Ich bin Lowan Vigeles' Tochter, nichts weiter!«
    Rashan verbeugte sich höflich. »Zur richtigen Zeit werdet Ihr anders darüber denken. Es steht mir nicht zu, mit Savankalas Tochter zu streiten. Ihr werdet Euer Erbe annehmen oder ablehnen, wie das Schicksal es bestimmt.« Er trat vor den Altar Vashankas und ließ die Schultern hängen. »Doch im Pantheon ist eine Leere entstanden. Vashanka ist verstummt und antwortet auf keine Gebete.« Er drehte sich um und deutete mit ausgestrecktem Finger auf sie. »Ich sage Euch, Chenaya, wenn dem Sohn Savankalas etwas zugestoßen ist, wird unausweichlich die Zeit kommen, da die Tochter ihre Pflichten aufnehmen muß!«
    »Genug dieses Geredes!« sagte Chenaya scharf. »Ich sage Euch, Rashan, daß es der Blasphemie nahekommt! Genug jetzt!« Sie machte eine Pause, um sich zu fassen. Als Rashan das erste Mal ihre Rolle angedeutet hatte, war sie über alle Maßen erschrocken gewesen. Ihr selbst hatte der Sonnenvater Träume geschickt und sie kannte deren Macht. In einem hatte Savankala ihr Schönheit versprochen, auch daß sie nie bei irgend etwas unterliegen würde, und er hatte ihr die Art ihres Todes verkündet — alles in einem Traum. Nun war es Rashan, der träumte! Und wenn sein Traum stimmte — wenn es ein wahrhaftig vom Sonnenvater Gesandter war ... Sie preßte die Lippen zusammen und weigerte sich, weiter darüber nachzudenken. Der Traum mußte falsch sein! Nicht mehr als der Wunschtraum eines greisen Priesters, der sah, wie sein Reich zerfiel.
    »Habt Ihr über das nachgedacht, worum ich Euch bei unserer letzten Begegnung bat?« wechselte sie das Thema. »Nun, da die Straßen so unsicher sind, ist es wichtiger denn je. Ihr wißt, daß ich einmal hier war und diese Tür verschlossen vorgefunden habe!«
    Rashan hob die Hand. »Ich werde Euch einen kleinen Tempel erbauen«, versprach er. »Es gibt keinen Wunsch, den Rashan Euch nicht erfüllen würde.«
    »Was ist mit Onkel Molin?« fragte sie verschwörerischen Tones.
    Rashan sah aus, als wolle er spucken, da erinnerte er sich, wo er war und machte hastig das Zeichen seines Gottes. »Molin Fackelhalter hat keine Macht mehr in diesem Haus. Euer Onkel hat den rankanischen Göttern den Rücken gewandt. Seine Handlungsweise riecht nach finsteren Machenschaften mit fremden Gottheiten. Die anderen Priester und ich haben uns auf diese stille Auflehnung geeinigt.« Er sprach mit eindrucksvollem Ärger, als breche er den Stab über einen Verbrecher. »Ich werde Euren Tempel errichten, und ich werde ihn
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