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Die Farbe Des Zaubers

Die Farbe Des Zaubers

Titel: Die Farbe Des Zaubers
Autoren: Robert Asprin
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weihen. Molin wird nicht einmal gefragt werden!«
    Am liebsten hätte sie die Arme um den Hals des alten Priesters geschlungen. Es freute sie, daß auch andere ihrem Onkel trotzten. Zu lange hatte er seine Intrigen ohne Widerstand schmieden können. Nun, vielleicht gab es tatsächlich eine göttliche Gerechtigkeit.
    »Baut ihn am Ufer des Fuchsfohlenflusses, unmittelbar an der Grenze unseres Grundes«, wies sie ihn an. »Und nicht zu groß, ein kleiner Familienaltar genügt.«
    Wieder nickte Rashan. »Aber Ihr müßt ihn entwerfen.«
    »Waas?« Sie blickte ihn erstaunt an. »Ich bin kein Baumeister!«
    »Ich kümmere mich um die genaue Ausarbeitung«, beruhigte er sie. »Aber Ihr seid die Sonnentochter. Der Entwurf muß aus Eurem Herzen und Eurer Seele kommen.«
    Sie seufzte, da besann sie sich ihres anderen Vorhabens. Es wurde schon spät, und bei den Göttern, sie wollte nicht, daß ihr Vater sich wieder Sorgen machte. Dankbar griff sie nach der Hand des Priesters. »Ich werde ihn entwerfen«, versprach sie und freute sich auf die neue Herausforderung. »Wir werden sofort anfangen. Die Kälte darf uns nicht abhalten. Habt Dank, Rashan.« Sie zog die Kapuze wieder tief ins Gesicht und machte Anstalten zu gehen. An der Tür blieb sie stehen und rief über die Schulter. »Und keine Träume mehr!«
    Im Freien bildete ihr Atem winzige weiße Wölkchen. Sie hatte nicht beabsichtigt gehabt, so lange bei Rashan zu bleiben. Das Tageslicht verlor bereits an Kraft, eine graue Decke hatte sich über die Stadt gebreitet. Sie eilte die Tempelallee hinunter und bog in den Statthalterweg ein. Als sie an der Ecke vorbeikam, wo sie und Daphne in der vergangenen Nacht überfallen worden waren, sah sie sich wachsam um. Es war jetzt ruhig hier, aus den Schatten und dunklen Winkeln schien keine Gefahr zu drohen. Dann betrat sie den Weberweg, überquerte die Goldallee und erreichte schließlich die Prytanisstraße und ihr Ziel.
    Die Luft schien plötzlich kälter zu werden, unnatürlich kalt, als sie ein nicht versperrtes Tor aufstieß und sich einer schweren Holztür näherte. Sie klopfte. Keine Antwort erfolgte, kein Laut war aus dem Innern zu hören. Sie betrachtete die seltsamen Steinstatuen, die zu beiden Seiten der Tür emporragten. Eine seltsame Drohung ging von ihnen aus. Sie warfen gewaltige Schatten über die Stelle, wo Chenaya wartete und verwehrten der Sonne den Zutritt. Aber sie hatte keine Angst. In ihrem Herzen umarmte sie Savankala und fühlte sich sicher.
    Als sie das zweite Mal klopfte, ging die Tür langsam auf.
    Da niemand sie begrüßte, trat sie ein. Gespenstisch schloß sich die Tür, und sie stand allein in einer Diele, die von weichem Lampenlicht erhellt wurde. »Enas Yorl?« rief sie. Die Worte hallten wider. Sie kaute an ihrer Lippe und ging tiefer in das Haus. Alles wirkte unendlich alt, war mit dem Staub von scheinbar Jahrhunderten bedeckt. Spinnweben verbargen wundervolle Kunstwerke hinter dichten Schleiern. Die Luft roch modrig. Sie rümpfte die Nase und ging durch die innere Tür. In der Mitte dieses Raumes blieb sie stehen. Ein Schauder rann ihr über den Rücken. Es war derselbe, den sie soeben verlassen hatte!
    »Enas Yorl!« rief sie verärgert. »Treibt nicht Eure Zauberspiele mit mir. Ich will mit Euch reden!« Sie hielt inne und wartete auf irgendeine Erwiderung. »Ich dachte, Ihr hättet einen Diener«, fuhr sie ungeduldig fort. »Schickt ihn her, damit er mich zu Euch führen kann, oder kommt selbst. Ich warte hier.« Sie verschränkte die Arme, doch da öffnete sich am anderen Ende der Diele eine Tür. Sie überlegte, dann seufzte sie. »Na gut. Wenn Euch das Spaß macht.«
    Wieder trat sie durch die Tür, und wieder befand sie sich im gleichen Raum. »Ich habe viel über Euch gehört, Enas Yorl«, murmelte sie, »aber nicht, daß Ihr andere langweilt.«
    Erneut öffnete sich die Tür am anderen Ende. Zu ihrer Erleichterung gelangte sie durch sie in einen anderen Raum. Der Modergestank war verschwunden, dafür stieg ihr starker Weihrauchgeruch in die Nase. Hier brannten keine Lampen, dafür glühten Kohlenbecken rötlich und sorgten für Licht. Dieses Gemach war viel größer als die Diele, voll Büchergestellen und alten Möbeln. Dicke Teppiche bedeckten den Boden. In einer Ecke stieg aromatischer Dampf von einem großen Samowar auf.
    Am hinteren Ende des Gemachs stand ein gewaltiger Sessel auf einem niedrigen Podest. Jemand, der völlig von einem ungeheuerlich weiten Umhang verhüllt war,
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