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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume
Autoren: Rose Tremain
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interessierte ihn nicht mehr, er wusste nicht mehr, wozu eine Schaffarm oder das Geld, das er damit verdiente, gut sein sollte. Er nutzte die Farm nur noch, um sich zu bewegen. Er wollte nur noch draußen unter dem weiten Himmel sein, sich selbst erschöpfen, die Pferde erschöpfen, immer weiter reiten, bis er nicht mehr konnte und eine gnädige Leere im Kopf seinen Verstand zum Schweigen brachte.
    Dorothy versuchte manchmal, ihn zur Vernunft zu bringen. Sie sagte, er werde sich umbringen, werde die Pferde umbringen und überhaupt für weitere Tragödien sorgen, wenn er so weitermache, doch Toby schien es nicht zu begreifen, schien nicht einmal zuzuhören. Es war, als läse Dorothy ihm aus einem schnulzigen Roman vor, den er ohnehin verschmähen würde.
    »Ich kann nicht mit ihm reden«, sagte Dorothy zu Harriet. »Und er kann nicht mit mir reden. Ich fürchte, wir schweigen jetzt bis ans Ende aller Tage.«
    Harriet wusste, dass Dorothy sich über ihr Kommen gefreut hatte, dass sie, die jetzt so viel allein war, ihre Gesellschaft schätzte. Aber Harriet wusste auch, dass sie sich trotzdem nicht zu lange in diesem Haus aufhalten durfte. Sie hatte sich vor langer Zeit geschworen, kein Kuckuck im Orchard-Nest zu werden, und jetzt hatte sie sich auch daran zu halten. Außerdem musste sie sich um ihre eigene Zukunft kümmern: ihre Zukunft in ihrem neuen Haus.
    Sie würde es tiefer in die Ebene setzen, nicht weit vom Teich und vom südlichen Arm des Bachs und geschützt vor den Winden. Es würde eine große Veranda haben, beschloss Harriet, und ein Ziegeldach. Es würde fünf oder sechs Zimmer geben, alle mit Fußböden aus Totara-Kiefer und mit farbig gestrichenen Wänden, und eines der Zimmer würde für ihren Vater Henry Salt sein. Schon konnte sie sich vorstellen, wie er dort an einem Schreibtisch saß und Zeichnungen von Vögeln und Pflanzen machte, die er noch nie zuvor gesehen hatte.
    Neben ihrem eigenen Schlafzimmer läge das Zimmer für Hel, und Hel würde eine Wiege aus Holz haben, und weiche Vorhänge vor den Fenstern würden ihn vor dem hellen Licht schützen. Und wenn er größer war und laufen konnte, würden sieund ihr Vater für ihn einen Drachen aus scharlachrotem Papier basteln.
    Als sie Dorothy und Toby von ihren Plänen erzählte, sagte Dorothy: »Ich möchte nicht, dass Sie gehen. Ich möchte, dass Sie hier bei uns leben, Sie und das Kind.«
    Aber Toby, der ausnahmsweise zusammen mit den Frauen am Kamin saß, sagte: »Hören Sie nicht auf Dorothy, Harriet. Jeder Mensch muss sein eigenes Leben leben. Aber denken Sie an die Wasserversorgung. Wasser ist das A und O menschlichen Komforts. Von der Zuleitung bis zur Kanalisation. Ich besorge Ihnen Männer, die das für Sie machen.«
    Und noch im selben Moment stand Toby auf, suchte sich Papier, Federhalter und Tinte und zeichnete einen eleganten Entwurf für ein System, bei dem das Wasser in einer Rinne vom Fluss in einen Wassertank auf eisernen Stelzen vor dem Haus geleitet wurde und Tonrohre unter der Erde zu einer Senkgrube hinter dem Haus führten.
    Er legte Harriet den Plan hin. Sie sah, dass seine Finger tintenbekleckst waren, genau wie die Finger des Angestellten im Schifffahrtsbüro von Hokitika.
    »Ihr Grundstück hat eine natürliche Neigung«, sagte er. »Sie können das Haus hinstellen, wie Sie wollen, solange der Tank oberhalb der Dachlinie liegt und solange die Abflussrohre der Neigung des Hügels folgen.«
    Am folgenden Tag flüsterte Dorothy Harriet zu, indem sie ihr sanft die Hand auf den dicken Bauch legte: »Dieses Wassersystem ist das Erste, wofür Toby sich seit Edwins Tod überhaupt interessiert hat. Und nachts hat er dann mit mir geschlafen. Vielleicht haben wir ja, wenn wir wieder eine Familie werden, doch noch eine Chance.«
IV
    Harriet war wieder mit ihrem Pferd Billy vereint. Eines Tages sattelte sie ihn sehr früh und ritt zu dem Grundstück in der Okuku-Ebene, das Joseph Blackstone für ein Pfund pro Morgen gekauft hatte und wo sie nun, da er auf der anderen Seite der Erdkugel war, ihr Haus errichten würde.
    Und wie sie so dahinritt, spürte sie erneut, wie sehr sie die leeren Täler liebte und die Schatten der Wolken, die ihren Weg begleiteten. Als sie den Ashley-Fluss mit der Fähre überquerte, schwamm Billy nebenher, und Harriet dachte an den Esel und den Eselkarren aus ihrer ersten Zeit in Neuseeland, und sie dachte auch an Lady, die ihr die Flut genommen hatte. Und dann dachte sie an das, was sie unter ihrem Herzen
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