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Die Farbe der Liebe

Die Farbe der Liebe

Titel: Die Farbe der Liebe
Autoren: Vina Jackson
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in jener Sommernacht vor gut einem Jahr, als sie beide auf dem Ball gearbeitet hatten.
    Ihre Lippen berührten sich.
    Wie an jenem schicksalhaften Abend. Auf der Wiese wurden gerade Feuerwerkskörper in den Himmel geschossen, die mit ihren farbenprächtigen Funken, ihrem Glitzern und ihrem Feuer die Landschaft mit Magie erfüllten und den Beginn des Bacchanals ankündigten.
    Ihre Herzen schlugen im Takt.
    Damals wie heute.
    Der Ingenieur nahm seine Frau in die Arme und verdrängte die Erinnerung an das Getöse jenes letzten Balls, an dem sie teilgenommen hatten. Lieber dachte er an ihre beglückende erste Umarmung, die ihm endlos vorgekommen war und alles um sie herum in weite Ferne gerückt hatte. Plötzlich hatten sie sich in einem hauchfeinen Kokon aus Stille und Liebe befunden, hatten gebannt den Atem, die weiche Haut des anderen gespürt und das Verlangen in seinen Augen gesehen.
    Und beide hatten sie in diesem Augenblick gewusst, dass dies die Begegnung war, auf die sie ihr Leben lang gewartet hatten.
    Sie hatte seinen Namen so leise ausgesprochen, als dürfte ihn niemand außer ihr hören. Und der Ingenieur hatte ihren geflüstert und dabei jede einzelne Silbe gedehnt und den Klang liebkost.
    Sie hatten einander umklammert, als bedeutete es ihr Leben, und auf der Suche nach Worten, den richtigen, den falschen, nach etwas, an dem sie sich festhalten konnten, hatten sie sich angesehen.
    »Das dürfen wir nicht«, hatte sie gesagt, ihn aber dennoch weiterhin fest an sich gedrückt. »Wir beide.« Sie hatte gebebt. »Du weißt doch, was im Morgengrauen passieren wird.«
    »Natürlich«, hatte der Ingenieur entgegnet. Schließlich hatte er das Podest für die Zeremonie konstruiert. Wie hätte er da so tun können, als wüsste er von nichts?
    Sie würde zum ersten Mal gezeichnet werden.
    Und künftig das unauslöschliche Mal einer Ball-Maîtresse tragen.
    Deshalb waren sie geflohen.
    Obwohl sie genau wussten, dass man sie verfolgen würde.
    Bis ans Ende der Welt.
    »Halt mich fest.« Ihre Stimme rief ihn in die Gegenwart zurück. In das stickige Motelzimmer, in die bleierne Hitze, die nicht einmal das weit geöffnete Fenster vertreiben konnte. Seine Finger ruhten auf ihrem Haar, dann glitten sie langsam zu ihren nackten Schultern. Ihre Haut war feucht.
    Die Frau strich mit ihrer schmalen Hand über seinen bloßen Rücken und fuhr ihm sanft mit den Nägeln über die Haut. Dabei zog sie ihn näher an sich. Sein Herz schlug schneller. Seit der Geburt des Kindes hatten sie sich nicht mehr geliebt, ohne allerdings je darüber gesprochen zu haben. Irgendwann würde der richtige Zeitpunkt schon kommen.
    In der Früh hatte sie die Tür zum Badezimmer halb offen gelassen, und er hatte sie beim Duschen beobachtet. Ihr alabasterweißer Körper hatte, als die Wassertropfen von ihm abperlten, geglitzert wie ein Diamant, und er hatte ein Ziehen in der Brust gespürt. Eine wohltuende, vertraute Begierde nach seiner Frau überwältigte ihn, die, wie er wusste, nie vergehen würde.
    Mit einem gedämpften Laut meldete sich das Baby. Entweder hatte es aufgestoßen oder sich verschluckt.
    Die beiden fuhren auseinander.
    »Wird sie wach?«
    Seine Frau spähte über den Bettrand nach unten.
    »Nein, dazu ist es wohl noch zu früh.«
    Doch als wollte die Tochter ihre Mutter Lügen strafen, schlug sie in diesem Moment die Augen auf, die in ihrem pausbäckigen Gesichtchen dunkelbraun schimmerten.
    Die Eltern lächelten.
    Das Baby sah still zu ihnen hoch, neugierig und zugleich voller Weisheit und Erfahrung, wie ein kleiner Buddha. Als wüsste es bereits alles, was es zu wissen gab.
    »Hast du Hunger?«, fragte die Mutter.
    »Das hat sie doch immer«, meinte der Ingenieur.
    Seine Frau hob die Kleine hoch, dann streifte sie den Träger ihres Nachthemds nach unten und entblößte eine pralle Brust mit einem zartrosa Nippel. Ebenso ernst wie zuvor umschloss das Baby ihn rasch mit den Lippen und begann zu saugen.
    Mit einem eigentümlichen Anflug von Eifersucht sah der Mann ihnen zu.
    »Wir haben immer noch keinen Namen für sie«, sagte er.
    Bisher hatten sie ihre Tochter zärtlich »Knuddel« genannt, sich jedoch noch nicht auf einen Vornamen für sie einigen können. Sobald sie glaubten, sich einen passenden ausgesucht zu haben, erschien er ihnen am nächsten Tag langweilig oder zu alltäglich, oder er gefiel ihnen schlichtweg nicht mehr.
    »Na, wir werden schon noch einen für sie finden«, entgegnete der Mann, ohne seine Frau und das
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