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Die Farbe der Liebe

Die Farbe der Liebe

Titel: Die Farbe der Liebe
Autoren: Vina Jackson
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weiterhin verlässlich sowohl organisatorisch als auch finanziell. Im Hintergrund wirkten Miss Morris und Madame Denoux in Seattle, zwei kluge, erfahrene Frauen, denen Aurelia voll und ganz vertraute. Sie wurden dabei kundig von Florence unterstützt.
    Der Ball des Vorjahrs war trotz unübersehbarer Schwierigkeiten – wegen des entlegenen und nicht ganz ungefährlichen Veranstaltungsorts – nach Meinung aller ein ganz außerordentlicher Erfolg gewesen. Der Regenwald am Amazonas hatte die Fantasie der Organisatoren und Mitwirkenden ungemein beflügelt, und man betrachtete ihn allgemein als den gelungensten Ball dieser Generation. Das schraubte die Erwartungen an den nächsten natürlich beträchtlich in die Höhe.
    Als Kind war Aurelia eine richtige Leseratte gewesen. Jetzt hatte sie sich mit Muße an ihr Staunen erinnern können, als Bücher ihr eine Vorstellung von der weiten Welt vermittelt hatten. Samarkand hatte in ihren Ohren schon immer einen magischen Klang gehabt und erinnerte sie an Tausendundeine Nacht. Dieser Ball sollte etwas ganz Besonderes werden.
    Das Motto war »Alice im Wunderland«, was eine ungeheure Vielfalt an Möglichkeiten eröffnete, Schönheit in wunderbaren Szenen vor Augen zu führen. Monatelang war Aurelia häufig mitten in der Nacht aufgewacht, weil die Fantasie mit ihr durchgegangen war und ihr aufregende Visionen beschert hatte. Das war zu der Zeit gewesen, als sie die Einzelheiten für die Planung und Gestaltung zusammenstellte.
    Seit Monaten pilgerten nun schon die Anhänger der Sinneslust, der Hof der Liebesdienste, die Gilde der Freunde und Förderer des Balls über Wasser, über Land und durch die Luft nach Samarkand. Viele hatten sich sofort aufgemacht, kaum dass sie von dem Bestimmungsort erfahren hatten. Manche waren reich, andere arm, einige wirkten eher unscheinbar, während andere verrückte Klamotten trugen und sich eigen benahmen; unbeteiligten Beobachtern fielen sie jedoch nicht sonderlich auf.
    Außer ihnen waren Tänzer, Akrobaten und sogar Clowns unterwegs, Schlangenmenschen, Freaks, Schneiderinnen, Tierbändiger und Pyrotechniker, Peitschenschwinger, Illusionisten und Caterer, Schlosser, Beleuchter, Installateure, Zauberer, Kulissenmaler, Metallbildhauer und Tätowierer – der ganze Tross derer, die für Lust, Liebe und Vergnügen lebten.
    Sie alle zogen nach Samarkand, um dort Schönheit und höchste Ekstase zu finden, wie sie nur in der Morgendämmerung nach der Ballnacht zu erleben war.
    Im Jahr zuvor hatten Andrei und Aurelia bei ihrer Recherche einen Ort ausfindig gemacht, an dem sich der Ball ungestört entfalten könnte, ohne größere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er lag nur wenige Kilometer außerhalb der Stadt, und man hatte längst damit angefangen, ihn entsprechend herzurichten.
    Kaum war der Ball mit Sack und Pack eingetroffen, begannen auch schon die Proben, die von Siv und Tristan beaufsichtigt wurden. Die beiden arbeiteten gut zusammen, obwohl sie beide Hitzköpfe waren. Walter hatte sich nach dem letzten Ball auf englischem Boden zurückgezogen und kümmerte sich nun um seinen Garten an der Südküste, was Aurelia eigenartig berührte. Immerhin war sie von dort in ihr neues Leben aufgebrochen und konnte sich nicht vorstellen, jemals zurückzukehren. Doch mit einem Lächeln auf den Lippen stellte sie sich vor, dass Walter raffinierte Blumenrabatten gestaltete, Büsche kunstvoll in Form schnitt und, nur von seinem Geruchs- und Tastsinn geleitet, in seinem Garten umherspazierte.
    Alles war fertig, und der Ball stand kurz bevor. Aurelia sah Andrei ins Gesicht und konnte nicht umhin, wie jedes Jahr um diese Zeit seinen melancholisch verschleierten Blick zu bemerken. Er schaute sie so verloren an wie ein kleiner Junge und zeigte eine Verletzlichkeit, die nur selten zum Vorschein kam und in krassem Gegensatz zu seiner überaus männlichen Er scheinung stand – dem kantigen Kinn, der rötlich braunen Lockenmähne, der breiten Schwimmerbrust und den gut ausgebildeten Muskeln.
    »Du musst nicht«, sagte Aurelia.
    »Ich weiß.« Andrei blickte kurz beiseite, wieder einmal sichtbar hin- und hergerissen zwischen der unerschütterlichen Gewissheit ihrer großen Liebe zu ihm und dem Wissen, dass andere sie beim Ball streicheln, ficken, benutzen und ihr huldigen würden. Wie es die Tradition verlangte. Erst wenn die schwindelerregenden, wollüstigen Exzesse dieser Nacht ausgelebt waren, würde sie wieder in seine Arme sinken und dabei den Geruch so vieler
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