Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Falsche Tote

Titel: Die Falsche Tote
Autoren: Daniel Scholten
Vom Netzwerk:
flache Welle nach oben trug. Linda hatte die Knie zur Brust gezogen und die Arme darauf gebettet. Das schräge Licht der Abendsonne ließ ihre linke Seite gold glänzen, die rechte lag im Dunklen.
    Sie regte sich nicht und hatte ihn noch nicht bemerkt, obwohl er bestimmt zu sehen war. Wenn man aufmerksam auf das Wasser schaute. Er verhielt sich still, bis er sich ganz sicher sein konnte. Er wollte keiner Fremden zuwinken und dann auf sie zuschwimmen. Vier Züge später sah er auch das Fahrrad aufblitzen, das neben ihr lag. Da winkte er. Nach mehreren nun schon kraftlosen Atemzügen bemerkte sie ihn auf einmal, hob die Arme und winkte, als wäre er von ihnen beiden der Orientierungslose.
    »Nur noch ein bisschen! Gleich hast du es geschafft!«
    Er schluckte Wasser. Auf der Wiese klappten ein halbes Dutzend Frauenoberkörper hoch. Die Feierabendsonnenden formten mit ihren Händen einen Blendschutz vor der Stirn, um dabei zu sein. Bis Papa es geschafft hatte. Mit letzten Kräften erreichte er das Ufer. Wegen der Aufmerksamkeit, die Linda ihm verschafft hatte, konnte er sich nicht wie ein schlaffer Lappen neben sie auf den Fels fallen lassen und keuchen, sondern musste kurz vor dem Anlanden einen eisernen Tonus seines Körpers herbeiführen, wofür ihm vor allem mentale Entschlossenheit zur Verfügung stand. Gleichzeitig musste er so aus dem Wasser steigen, dass ihm seine Haare nicht stumpfsinnig auf der Stirn klebten.
    Sie reichte ihm das Handtuch. »Ich hab schon geglaubt, dass du schlappmachst.«
    Er war mit Henning vom Büro aus die Polhemsgatan hinuntergeschlendert. Am Smedsudden waren sie ins Wasser gestiegen und hatten im brusttiefen Wasser stehend noch eine Viertelstunde über ihre neue Kollegin gesprochen. Das war Sofi. Sie hatte vor einigen Wochen bei der Gruppe begonnen. Henning hatte dabei eine Dose Bier getrunken. Den ersten Schluck so zu messen, dass die Dose danach aufrecht neben einem im Wasser treibt, das war nur eines der Talente, die Gott Henning mit auf den Weg gegeben hatte. Sein wichtigstes allerdings, wie er selbst fand. Er schwamm nie weiter als die dreißig Meter bis zur roten Boje. Die Bojen markierten nicht etwa das Ende des Badestrands und den Beginn des schiffbaren Wassers, wie viele glaubten, sondern genau die Distanz zum Strand, wo das Bier zur Neige ging und es für Henning Zeit war, das Steuerruder herumzureißen und sich wieder ans Ufer schwemmen zu lassen.
    Für Kjell jedoch begann bei der Boje der Heimweg über den Fjord. Jenseits der Wassers lag Långholmen. Dort war das Wasser tief und kalt. Er hatte einen Neunstundentag hinter sich, und noch bevor er dem Stimmengewirr am Smedsudden ganz davongeschwommen war, waren ihm die Arme schwer geworden. An anderen Tagen hingegen konnte er noch viel weiter schwimmen. Linda war immer dafür zuständig, mit seinen Sachen im Korb über die Brücke zu radeln und am Ziel auf ihn zu warten.
    Heute wollte er nur noch ein Glas Wein mit ihr auf dem Balkon trinken, vielleicht das eine oder andere Wort über den Ernst des Lebens an sie richten, der morgen früh für sie beginnen würde, oder, noch besser, es einfach lassen.
    Er nahm die frische Baumwollhose, die Linda ihm mitgebracht hatte, aus dem Fahrradkorb. Und an ein frisches T-Shirt hatte sie auch gedacht.
    »Kjell Cederström?«
    Kjell und Linda wandten sich gleichzeitig um. Zwei uniformierte Schutzpolizisten standen da, ein Mann und eine Frau, unter deren Kappe ein geflochtener Zopf herausragte. Kjell nickte. Was blieb ihm anderes übrig? Den Wagen hatte er vorhin schon oben vor dem roten Holzhaus stehen sehen. Davor stand ein kleiner Junge in Badehose und versuchte herauszufinden, ob sein Eis bis zum Stiel in seinen Mund passte. Der Kleine hatte es geschafft, er röchelte vor Erkenntnis.
    »Wir haben Anweisung, dich so schnell wie möglich nach Vasastan zu bringen«, sagte der Mann, der einen Schritt nach vorn getreten war. Man sah dem Duo an, dass sonst immer die Frau redete, doch jetzt schielte sie nur auf Kjells dunkelblaue Badehose. Zum Glück hatte Linda nicht die rote mitgebracht. Auch der Mann blickte auffällig milde drein, als kämpfte er mit dem Grinsen.
    Ein Scherz, überlegte Kjell, einer von der Art, wie man ihn bei der Polizei liebte. Er ließ sich von Linda sein Telefon reichen. »Barbro hat euch geschickt, oder?«
    Die beiden schüttelten den Kopf, während Kjell sich das Telefon ans Ohr hielt. Nach dem zweiten Tuten nahm Barbro ab. Er schilderte die Lage.
    »Steig sofort in den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher