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Die Falsche Tote

Titel: Die Falsche Tote
Autoren: Daniel Scholten
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Techniker bei ihrer Arbeit.
    Lasse hielt ein Kuvert mit der Pinzette hoch. Es war so winzig und rot, dass man es nur als Gruß an Weihnachtsgeschenke kleben oder darin Liebesbriefe beim Sportunterricht zustecken konnte.
    »Erst dachte ich, dass der Täter es hier unter das Kopfkissen gesteckt hat«, sagte Sofi. »Aber es muss schon länger dort gelegen haben.«
    Lasse nickte und steckte das Kuvert in ein transparentes Biopack. »Es ist zugeklebt. Das können wir erst im Labor öffnen.«
    Kjell fragte sich, von welchem Täter Sofi da sprach. »Wie lange seid ihr schon dran?«
    »Halbe Stunde«, behauptete Sofi.
    »Barbro sagt aber, du warst einer der ersten.«
    »Vielleicht bin ich auch schon länger hier.«
    »Ich hatte gesagt, du sollst nach Hause gehen.«
    Sie hatten alle einen langen Tag im Büro hinter sich. Kjell musste Sofi den Feierabend immer befehlen, weil sie in ihrem Anfängerehrgeiz sonst einfach sitzen blieb. Auch diesmal musste sie trotz ihres Versprechens noch viel länger geblieben sein, weil sie sonst den Alarm nicht mehr mitbekommen hätte.
    Noch im Türrahmen stehend begann er, sich im Zimmer umzusehen. In dem schmalen Bett konnten nie und nimmer zwei Menschen zusammenliegen, wie sehr sie sich auch lieb hatten. Den Schreibtisch hatte sich Josefin ganz einfach wie beim Tapezieren aus einer Holzplatte und zwei Böcken hergestellt. Darauf stand Sofis Computer und lief.
    Sie rappelte sich vom Boden auf, was ihr wegen der Plastiksäckchen über ihren Füßen und der Folie auf dem Boden einige Mühe bereitete. »Hast du das hier gesehen?« Sie deutete auf die gegenüberliegende Wand, die er noch gar nicht entdeckt hatte. »Es ist Burt.«
    Kjell drehte sich herum. Es musste Jahrzehnte zurückliegen, dass Kjell eine Fototapete gesehen hatte. Burt Reynolds war jung, nackt und behaart wie eine Kokosnuss. Er lag auf einem Eisbärenfell, sein Ellenbogen verdeckte geschickt seine Scham. Zwischen den Fingern qualmte ein dünnes Zigarillo und davor stand ein klobiger Aschenbecher aus Glas. Kjell wusste nicht, ob Sofi erst seit einer halben Stunde Burt-Reynolds-Fan war, aber sie schien die Tapete zu mögen. Entscheidungen, ob Männeroberkörper behaart oder unbehaart sein mussten, wurden bei der Reichskrim immer am Kaffeeautomaten zwischen Aufzug zwei und der Damentoilette gefällt, und da ging er nie hin.
    »Ich wär auch aus dem Fenster gesprungen, wenn ich so eine Tapete in meinem Wohnzimmer hängen hätte«, kommentierte Kjell den Anblick. »Gibt’s außer diesem Motiv noch andere Spuren?«
    Sofi probierte mehrere Blickrichtungen aus und vermied Augenkontakt. Offensichtlich verstand sie langsam, warum er so ungehalten war. Ganz sicher war sie die ganze Zeit mit Lasse auf dem Boden herumgekrochen und hatte sich alles von ihm zeigen lassen. Dabei war ihre einzige Aufgabe, hier den Überblick zu behalten und Informationen nach unten zu liefern.
    »Ich bin schon fertig und hab nur auf dich gewartet. Ich habe mit dem Nachbarn geredet.«
    »Schon gehört.«
    »Sie haben ihn gleich weggebracht. Wer da geklingelt hat, wissen wir noch nicht.«
    »Ist das alles?«
    »Sonst deutet nichts darauf hin, dass jemand hier gewesen ist. Jenna aus der Technischen macht das Abdruckmuster am Fenster. Im Zimmer war es unordentlich. Kein Computer, kein Telefon und keine Dokumente. Bestimmt ist jemand hier gewesen.«
    Kjell nickte. »Fahr ins Präsidium und bereite das Dossier vor.«
    »Okay.« Sie legte zwei Schritte zum Tisch zurück, schnappte sich ihren Computer und klappte ihn so laut zu, wie sie glaubte, dass es ihre aufflammende Wut angemessen zum Ausdruck brachte. Und dann war sie auch schon weg. Es war eine grausame Entscheidung, sie jetzt wegzuschicken, wo das Leben gerade ihren Lieblingsgeschmack angenommen hatte. Aber er wollte für die kommenden Tage von vornherein die Weichen erzieherisch richtig stellen.
    Nachdem Lasse das Bettzeug verpackt hatte, wanderte er mit seinen Geräten hinüber in das Zimmer der Mitbewohnerin, das sonst noch niemand betreten durfte. Kjell blieb allein zurück und setzte seine Erkundung mit den Augen fort, ohne sich von dem Punkt zu bewegen, wo er stand. Die Fototapete stammte nicht von der einundzwanzigjährigen Josefin, sie musste schon viel länger an dieser Wand kleben und hatte von den Möbeln früherer Bewohner schon einige Schrammen abbekommen. Viel interessanter fand Kjell das Plakat, das Josefin über ihrem Schreibtisch aufgehängt hatte. Darauf blickten zwei Frauen den Betrachter
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