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Die Falsche Tote

Titel: Die Falsche Tote
Autoren: Daniel Scholten
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Dann riss sie das Telefon aus der Ladestation und rannte wieder aus dem Zimmer, eilte durch die Räume und warf ihre Sachen in die Tasche.
    Auf einmal stand sie mitten im Raum, jetzt war sie angezogen. Sie trat hinter ihn und versuchte, die Klinge aus seinem Rücken zu ziehen. Es gelang ihr nicht. Mari gab auf und stürmte hinaus. Mit harten Schritten kehrte sie erneut zurück und wischte den Griff des Brieföffners, der noch immer in seinem Rücken steckte, mit einem Spüllappen ab. Anschließend warf sie den Lappen als Beleidigung auf den Tisch und verschwand aus dem Zimmer.
    Carl Peterssons Gedanken erlahmten. Er war viel zu weit gegangen mit ihr, das musste er sich nicht mehr eingestehen. Es lag nun offen da. Der gelbe Lappen dicht vor seiner Nase stank modrig. Er hatte ihn verdient.
    Er würde sie nie mehr wiedersehen. Er verstand, und er verstand nicht. Die Wohnungstür fiel ins Schloss. Sie verriegelte es gewissenhaft. Einmal, zweimal drehte sie den Schlüssel herum und zog ihn heraus.
    Damit war das letzte Geräusch verklungen. Carl Petersson saß allein an seinem Schreibtisch und wusste nicht, ob er leben oder sterben würde.
2
    Beim ersten Piepsen des Weckers war sie hellwach. Linda Cederström öffnete die Augen, und ihr erster Gedanke war wie an jedem Morgen: Mama ist tot.
    Vor vier Jahren nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter war es wie ein notwendiges Mantra gewesen, um die Veränderung in ihrem Leben an jedem neuen Morgen einzuüben, bevor sie aufstand. Aber sie war es nie mehr losgeworden. Heute blieb keine Zeit, ihre liebste Erinnerung dagegenzusetzen. Sie atmete tief durch. Sie hatte gelernt, mit dem heutigen Tag zu leben wie ein Armenier mit dem nächsten Erdbeben.
    Es war finster im Zimmer. Sie richtete sich auf und fühlte eine Leere, wie sie im Magen zerrt, wenn man zu kurz geschlafen hat.
    Ihr Plan! Ihr schauderte davor. Dennoch ging sie alle Stationen noch einmal in Gedanken durch, bevor sie die Decke von sich riss, aus dem Bett sprang und sich im Dunkeln zur Küche tastete. Dort knipste sie die Tischlampe an, füllte eine Tasse halbvoll mit Milch und erwärmte sie zwei Minuten und zwanzig Sekunden in der Mikrowelle. Diese Zeit nutzte sie, um Wasser im Sieder zu erhitzen und zwei Löffel Kaffee in den Filter zu schaufeln. Sie ließ das Kaffeewasser durch den Filter in die heiße Milch rinnen. Linda war wach und aufmerksam. Das musste an der Aufregung liegen, vermutete sie. Alle Handgriffe verrichteten sich wie von selbst, nachdem sie vor dem Einschlafen jeden einzelnen minutiös durchgeplant hatte, auch das Kaffeekochen.
    Linda nahm die Tasse mit ins Bad, stellte sie auf der Ablage über dem Waschbecken ab und trank von Zeit zu Zeit daraus. Eine Viertelstunde später waren ihre Haare trocken genug, um damit ins Freie gehen zu können. In ihrem Zimmer lagen die Kleidungsstücke in der Reihenfolge auf dem Boden ausgebreitet, wie sie hineinschlüpfen musste. Einen Augenblick lang betrachtete sie die Sachen, wie sie so dalagen. Wie eine in Szene gesetzte Gebrauchsanweisung sahen sie aus.

Verlagsgruppe Random House
     
    1. Auflage
Originalausgabe Februar 2008
    Copyright © 2007 by Wilhelm Goldmann Verlag,
München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
    Umschlagcollage: Plainpicture/Folio Images
und Plainpicture/alt-6
KS · Herstellung: Str.
    eISBN : 978-3-641-01715-6
     
    www.goldmann-verlag.de
    www.randomhouse.de
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