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Die Falsche Tote

Titel: Die Falsche Tote
Autoren: Daniel Scholten
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verdammten Wagen!«, herrschte Barbro mit einer Stimme, die es wirklich ernst meinte. »Die Reichsleitung hat Protokoll 12 angeordnet. Die Säpo hat schon ganz Birkastan abgeriegelt.«

3
    Kjell konnte nirgendwo ein Auto fahren sehen. Die Straßen um den Vasapark waren vom Sankt-Eriksplan bis zum Odenplan so leer, dass man wie in tiefer Nacht von überall her die Ampelkästen summen und ticken hörte.
    Der Streifenwagen hatte ihn bei der Sigtunagatan abgesetzt, einer kurzen Verbindungsstraße, die sonst immer still dalag. Während an ihren Enden der Verkehr und das Leben über die Odengatan und den noch größeren Karlabergsvägen vorbeirauschten, geschah hier kaum etwas anderes als Wohnen und Parken. Jetzt hatte sich das alles verkehrt.
    Die Abendsonne bestrahlte das Gewimmel aus Polizisten und wild auf der Straße abgestellten Fahrzeugen, während auf der Odengatan kein einziges Auto fuhr. Das war nur mit einer verordneten Rotschaltung der umliegenden Kreuzungen zu schaffen.
    Erstaunt blickte Kjell in die etwa zweihundert Meter lange Straße. An beiden Enden verriegelten Polizeifahrzeuge die Einfahrt. Im Alkoholladen an der Ecke brannten noch die Lichter, obwohl die ja immer schon um sieben Uhr zumachten. Drei Männer, deren Gesichter Kjell nicht kannte, standen darin und hatten sich in ein Gespräch mit den Verkäuferinnen vertieft. Die Sicherheitsabteilung, vermutete Kjell.
    Er wusste noch immer nicht, was geschehen war. Aber nach Barbros Auskunft, dass Protokoll 12 auf ihn warte, worin er ein kleines und sich schnell drehendes Rädchen war, konnte es nur um einen Anschlag auf einen Minister oder etwas Ähnliches gehen. Die beiden Zivilisten, die mit den Schutzpolizisten die Straßensperre bewachten, mussten auch von der Säpo sein. Sie ließen Kjell anstandslos passieren, als er sich auswies.
    Obwohl von Jugendstil bis zur Gegenwart jeder Stil in dieser Straße vertreten war, wirkte die Häuserfassade monoton. Das Zentrum der Ansammlung lag vor dem graubraunen Haus mit den erbsengrünen Fensterrahmen. Die Polizeifahrzeuge waren konzentrisch um den Hauseingang geparkt wie Pfeile um ein Sonderangebot. Kjell konnte Barbro an ihrem rötlichblonden Haar unter dem Dutzend ausmachen, das vor dem Eingang herumstand. Sie wurde auch sogleich auf ihn aufmerksam, anscheinend hatte sich schon die erste Unruhe in ihr ausgebreitet. Die aufwendige Frisur vom Nachmittag hatte sie inzwischen für einen Pferdeschwanz aufgegeben. Mit einem Schreibbrett in der Hand kam sie auf ihn zu.
    »Endlich! Wo bleibst du!«
    »Ich war schwimmen. Was ist mit Henning?«
    »Der muss auch jeden Moment eintreffen.« Barbro deutete mit der freien Hand auf den Hauseingang, dessen Tür offenstand und Einblick in den Flur gab. Er erkannte den üblichen halbherzig-protestantischen Jugendstil mit Schachbrettboden und der obligatorischen Schneckenhaustreppe.
    »JK-1«, sagte Barbro. »Josefin Rosenfeldt. 21 Jahre. Aus dem vierten Stock gestürzt. Die Leiche ist schon weg.«
    Überall um sie herum knisterten Funkgeräte, die Gespräche waren jedoch schon abgeebbt. Für die Träger aller hohen Verfassungsämter und deren Angehörige gab es einen Code, damit es bei der Arbeit nicht zu Verwechslungen kam. Das hatte sich die Säpo in ihrer gedanklichen Kargheit so ausgedacht. Der Partner eines Amtsträgers trug immer eine Null im Code, und die Kinder wurden wie bei den alten Römern durchnumeriert.
    Josefin war das älteste Kind des Justizkanzlers.
    »Warum wurde sie schon weggebracht? Wie lange seid ihr schon hier?«
    Barbro sah auf die Uhr. »Etwa vierzig Minuten. Es gab zwei Zeugen. Eine Passantin hat beobachtet, wie das Mädchen auf dem Gehsteig aufschlug. Und dann gibt es noch eine andere junge Frau, die kurz darauf hinzukam, und die Tote gleich erkannte. Anscheinend ist sie die Mitbewohnerin. Die Sanitäter haben ohnehin alles kontaminiert. Der Säpo war es zu riskant, weil man die Leiche von Weitem sehen konnte. Es gibt aber genug Fotos.«
    »Welche Priorität hat der Justizkanzler?«
    »Das Justizkanzleramt hat eigentlich nur Stufe drei, aber kurz nachdem Rosenfeldt es übernommen hatte, hat die Säpo ihn auf zwei hochgestuft.«
    Barbro blätterte hilflos in den Unterlagen auf ihrem Klemmbrett. Sie musste die Papiere erst vor Kurzem bekommen haben.
    Kjell kniff sich in die Nasenspitze. Das wunderte ihn alles nicht. Wenn man bedachte, was Rosenfeldt seit seinem Antritt alles gesagt und getan hatte, fand er es sogar erstaunlich, dass nicht längst etwas
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