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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau
Autoren: Katrin Mackowski
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Klecksen gefroren. Obwohl nichts auf dem Tisch stand, sah François einen Teller mit kalter Zunge vor sich. Die Lieblingsspeise seines Vaters. Dann ging er ins Kinderzimmer und blieb auf der Schwelle stehen. Das aufgeregte Klopfen seines Herzens wurde von der hellen Schlafzimmerstimme eines kleinen Jungen unterbrochen, von ihm selbst, der Vater oder Mutter noch zu einem letzten Wort bringen wollte, zu einem zweiten oder dritten Mal Gute Nacht.
    Mama?
    Einen Augenblick lang schloss François die Augen.
    Dann ging er zurück in die Küche.
    Kochen war seine Leidenschaft. Am liebsten asiatisch, aber auch französisch oder italienisch, je nachdem.
    Eigentlich hatte er es nur für Claire getan, die in ihm zuerst nichts als einen harten Kerl gesehen hatte und dann überrascht war, dass da wesentlich mehr drin war. Dabei wollte er keiner Frau beweisen, dass er auf ewig für sie da sein konnte, nur weil er kochte. Dass er alles über sie wissen musste – woher sie kam, wohin sie ging, wie lange sie bleiben würde, nur weil er sie bediente. Eigentlich wollte er keine dauerhafte Beziehung, aber mit Claire war das so eine Sache. Küsste und umarmte sie ihn, konnte er nicht anders, als ihre Zärtlichkeiten erwidern, obwohl er nicht dasselbe meinte wie sie und manchmal darüber erschrocken war. Nie zuckte sie zusammen wie er, sondern lächelte und rückte sofort näher. Jetzt war ihm klar: Nie wieder würde Claire mit ihm in der Küche sitzen, nie wieder neben ihm am Herd stehen und lachen, weil sie sich gegenseitig die Finger ableckten.
    Der Gestank in der Wohnung war unerträglich.
    Plötzlich wollte er Dinge in Ordnung bringen, die sich noch in Ordnung bringen ließen. Die fleckige Auslegeware in der Küche rausreißen, Lampen austauschen und den Dreck beseitigen. Wie ein Mann, der ein Match zu gewinnen hatte, glaubte er die Spuren der Vergangenheit verwischen zu können und fing an, Kleider seiner Eltern, große Teile von Besteck und Geschirr, die ausgefransten Bettvorleger, Tischtücher und Polster in die Abfalleimer vor dem Haus zu werfen.
    Später schlenderte er durch die Gassen.
    Nur nicht über Claire reden, dachte François. Schon gar nicht über seinen Vater.
    Vor einem Asia-Laden in der Nähe vom Matzleinsdorfer Platz machte er Halt und trat in einen verdunkelten Raum. Es roch nach Fisch. Vor ihm, in einer schwach beleuchteten Eistruhe, Berge von Lachs, Makrelen, Krebse, Schwänze, Köpfe, Flossen, daneben Kräuter wie Koriander und Petersilienwurzel. Das alles wollte er nicht.
    François sah sich um. Weiter hinten, über dem Tresen, lief der Fernseher. Nachrichten aus Taiwan, vorgetragen von einem Mädchen mit piepsiger Stimme. Ein Mann starrte auf die Mattscheibe und sortierte dabei schwarze Flaschen in einen Karton.
    »Haben Sie Fleisch?«
    Der Mann nickte, verschwand hinter einem Paravent und kam mit einem Plastikbeutel wieder. Er reichte ihm Tiefgefrorenes über die Theke. Ein Riesenklumpen Fleisch, der für eine ganze Kompanie gereicht hätte.
    François griff zu.
    Bald schon zog der Geruch von Sesamöl und frischem Zitronengras durch die Wohnung. Es gab Rinderbraten in Shaoxing-Reiswein, Katzans Leibgericht.
     
    In einem teuren Mantel stand sein Freund pünktlich in der Tür. So rausgeputzt hatte er ihn noch nie gesehen. »A moi la légion«, flüsterte Katzan.
    Das war der Satz, mit dem die Legionäre nach Hilfe rufen, wenn das Leben nur noch am seidenen Faden hängt. Warum hatte er diesen Satz gesagt?
    »A moi la légion«, wiederholte François mechanisch und umarmte den anderen wie einen, den er lange nicht zu Gesicht bekommen hatte. Noch bevor er fragen konnte, was diese seltsame Begrüßung zu bedeuten hätte, war ihm Katzan zuvorgekommen.
    »Was …? Was von Claire gehört?«
    François war nicht imstande zu antworten. Aus einer Packung Gitanes, die er in seiner Brusttasche trug, fingerte er nervös eine Zigarette. Seine Finger zitterten, als Katzan ihm Feuer gab. Sein Freund blickte so nüchtern.
    »Kann ich dir einen Drink anbieten?«, fragte François, weniger aus Höflichkeit, sondern nur, um etwas Unverfängliches zu sagen.
    Katzan grinste, ging ins Wohnzimmer und ließ sich lässig in einen bequemen Sessel fallen. Im schrägen Mustermix eines orangefarbenen Möbelstückes sah er seltsam aus.
    »Was ist da nur schiefgelaufen?«, murmelte François und schenkte zwei Gläser Whisky ein.
    Sein Freund kam ihm hier völlig absurd vor. Er hatte ihn noch nie in der Wohnung seines Vaters empfangen. Es war
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