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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau
Autoren: Katrin Mackowski
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überhaupt nie einer zu Besuch gewesen, und trotzdem bewegte er sich an diesem Ort wie selbstverständlich.
    »Sag schon«, fing François wieder an. »Was denkst du?«
    Katzan zuckte nur mit den Achseln.
    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich hat sie jemand umgebracht.«
    François bemerkte, wie Wut in ihm hoch kochte. Wollte er nicht schweigen? Nicht über Claire reden? Dann nahm er einen kräftigen Schluck. Den Whisky spürte er kaum. Schon besser.
    Diese Beiläufigkeit, mit der Katzan von Mord sprach. Als würde es um irgendjemanden, nur nicht um Claire gehen.
    »Hör zu«, sagte Katzan. »Das mit Claire wird sich regeln.«
    François starrte vor sich hin. Das Gerede seines Freundes war abstoßend.
    »Was willst du?«, fragte er, und seine Frage hörte sich an wie ein Befehl, wie irgendeiner dieser Sätze, die er vor seinen Männern geschrien hatte, lauter Rekruten, heiß darauf, sich die Hörner abzustoßen, um sich nachher gegenseitig die Wunden zu lecken, manchmal sogar mehr.
    Dann lenkte er ein.
    »Du hast recht«, sagte François vollkommen ruhig. »Die verschwindet doch nicht einfach. Ist doch gar nicht der Typ für so was.«
    François glaubte nicht an Mord, daran konnte, durfte er nicht glauben, und ein Lachen kam aus ihm, mit dem er gegen ein unnennbares Gefühl ankämpfte, Auge in Auge mit Katzan.
     
    Eines Abends, die Sache mit Claire war noch ziemlich frisch, war Katzan unangemeldet aufgekreuzt und wollte ihn zu einer Tour durch die Nachtclubs von Paris überreden. Katzan machte eine regelrechte Szene, weil François keine Lust hatte. Katzan brüllte, knallte die Tür, danach war der Kontakt für Wochen abgerissen.
    Irgendwann aber, als Katzan registrierte, dass Claire nicht zu diesen Nummerngirls zählte, die nach ein oder zwei Runden wieder abzogen, hatte sich das Blatt gewendet. Sie verbrachten gemeinsame Abende im Chez Prune, einer kleinen Bar am Canal St. Martin, oder gingen ins Café Charbon. Katzan spielte den Gönner, zahlte regelmäßig die Drinks und warf sich ins Zeug, um Claire zu imponieren. So ging es Woche für Woche.
     
    »Sie war so abwesend an unserem letzten Abend«, sagte François. »Meinst du, ich sollte noch mal zur Polizei gehen?«
    Katzan deutete stumm auf die Flasche Whisky, aus der ihm sein Freund sofort nachschenkte.
    »Blödsinn«, sagte er. »Geduld!«
    »Geduld? Sie wollte mich heiraten!«
    François nippte an seinem Glas. Die Zigarette, die bis auf einen winzigen Stummel runtergebrannt war, ertränkte er im Rest Alkohol.
    Dann ging er in die Küche, zog ein scharfes Messer aus der Schublade und machte sich an den Braten, der außen eine dunkel satte Farbe bekommen hatte und innen, Stück für Stück aufgeschnitten, zartrosa leuchtete.
    »Ach was«, sagte François. »Ich lass mich doch nicht irre machen.«
    Dabei tippte er sich mit dem Finger an die Stirn.
    Katzan, der ihm gefolgt und stumm zugesehen hatte, kniff die Augen zusammen. »Hör auf! Ich seh doch, wie dich das irre macht. Ich sag dir was. Du hast sie viel zu viel bemuttert. Bist ja andauernd wie ‘ne Hausfrau mit dem Geschirrhandtuch um die Hüften rumgelaufen. Das killt den Sex!«
    »Was? Was weißt du schon?«, schrie François und schämte sich gleich hinterher. Auf keinen Fall wollte er in Katzans Achtung sinken. Es war komisch, wie unsicher er sich fühlte. Wusste er nicht, dass er ihm trauen konnte, selbst wenn er ein paar Drinks intus hatte?
     
    Vor ein paar Wochen noch hatten François und Claire eng aneinandergeschmiegt vor dem Fernseher gelegen. Katzan war gerade von einem erfolgreichen Geschäft aus Budapest zurück.
    Es lief irgendeine Show, die niemanden sonderlich interessierte. Claire, die auf die Mattscheibe starrte und sich Chips in den Mund schob, war weder beim Fernsehprogramm noch bei den Küssen, die ihr François zärtlich auf Hals und Hände drückte. Irgendwann machte sich Katzan über ihn und Claire lustig, warf Küsse in die Luft und imitierte Liebkosungen. Es gab Streit, doch Claire hielt sich da raus.
    »Weißt du, was das schlimmste Verbrechen ist, das ein Mensch begehen kann?«, hatte sie aus heiterem Himmel gefragt.
    Mord, dachte François.
     
    Jetzt dachte er dasselbe. Mord.
    »Wenn ihr einer was angetan hat, bring ich ihn um!«, platzte François los. Er ließ das Messer, das eben noch steil in die Luft ragte, auf den Tisch fallen und schüttelte den Kopf.
    »Was ist los, Bruder?«, fragte Katzan.
    Draußen pfiff der Wind um die Häuser.
    »Verdammtes Wetter«, sagte François,
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