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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex
Autoren: Jo Clayton
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jetzt war ihrem Namen eine Ehrenbezeichnung beigegeben, die der Mann auszusprechen sich geweigert hatte. „Uns war nicht bewußt, wie stark Ihr für Eure Freunde empfindet.” (Eine weitere Veränderung, stellte Aleytys fest, von Gefährten zu Freunden.) „Wenn Ihr bitte eintreten wollt, wir können euch allesamt über diese weite Entfernung transportieren- besser, als dies eure Füße könnten. Natürlich trefft Ihr die Entscheidung. Wir warten.”
    Aleytys blickte Shadith an, wechselte in deren Sprache und sagte: „Sie bittet uns in ihr Empfangszimmer.”
    „Du hast es gesagt, wir haben keine große Wahl. Ich habe überhaupt keine Lust, noch einmal tausend Meilen zu Fuß zu gehen; nicht, wenn es nicht unbedingt sein muß. Ist unsere alte Hexe wach?”
    „Wach und sehr aufmerksam.”
    „Weißt du, ich glaube, deinen Übersetzer werde ich am allermeisten vermissen. Es ist ziemlich langweilig, jedesmal warten zu müssen, bis man im Bilde ist.”
    „Hah! Du hast noch nie meine Kopfschmerzen gehabt.” Sie wandte sich wieder der wartenden Frau zu, wechselte abermals die Sprache und sagte: „Wir danken Euch für die Gefälligkeit, Viynya.”
    5
    Sie folgten dem Fluß, bis er sich zu einem Silberfaden verengte, der nur mehr unterbrochen sichtbar war zwischen Bäumen, dicht an Berghängen, Bäume, deren Blätter vom Frost granatrot, pflaumenblau, aprikosenfarben, safrangelb und golden gemacht waren.
    Sie folgten ihm, bis er sich hoch hinauf in die Berge schlängelte und die Tieflandwälder hinter sich ließ und in eine karge, grünere Welt der Koniferen vorstieß. Schließlich schwebten sie über einem kreisrunden See, der gleich einem Rubinspiegel schimmerte und das Karmesinrot der untergehenden Sonne reflektierte. Rings um den See erstreckten sich Wiesen; einige wenige Bäume waren zu erkennen, zwei oder drei Büsche, eine kleine Herde Wiederkäuer, die gelassen am Talende grasten; darüberhinaus war weithin nichts zu sehen. Die Kugel senkte sich hinab, verschmolz mit dem Wasser, sank lautlos und schnell tiefer, bis auf den schlammigen Grund
    - und immer noch tiefer, bis sich auch der Schlamm darüber schloß; dann kam sie zu einem schaukelnden Stillstand.
    Der Evareener hatte sich während der gesamten Reise im Hintergrund gehalten. Schmollt, dachte Aleytys. Sie und Shadith hatten sich in einer Art Kontrollraum aufgehalten, bequem in gepolsterten, eiförmigen Sesseln sitzend, Linfyar auf Shadiths Schoß.
    Der Junge war beunruhigt und verwirrt von diesem seltsamen Gefährt. Shadith hatte ihm untersagt, seine Fledermaus-Signale auszustoßen; den Worten der Evareenerin zufolge störten sie einige der Instrumente. Er konnte auf seine anderen ganz speziellen Sinne zurückgreifen, war also nicht gänzlich gehandikapt; dennoch kam er sich unsicher und verloren vor und klammerte sich demzufolge um so heftiger an sie. Die Blasenführerin hatte sich in einem ähnlichen Sessel niedergelassen und war während der ganzen Fahrt offenbar mit nichts anderem befaßt, als auf einem großen, rechteckigen Bildschirm die tief unten vorüberziehende Szenerie zu beobachten. Hin und wieder spürte Aleytys kleine, kribbelnde Berührungen, keine Sonden, sondern eine Art Verbindung zwischen der Frau und der Maschine.
    Als der dunkle, schaumige Schlamm jede Sicht auf dem Bildschirm auslöschte, stand die Blasenführerin auf. „Wenn Ihr mir mit Euren Freunden bitte folgen wollt, Viyn Aleytys, dann werde ich euch nach Sil Evareen bringen.”
    6
    Was wie ein Berg ausgesehen hatte, war kein Berg, sondern lediglich eine Projektion, welche die Stadt verbarg. Sie traten aus dem Karmesinrot der untergehenden Sonne überzogen war. Eine angenehm duftende Brise, frisch, leicht, streichelnd, umspielte sie.
    Aleytys sah sich um und staunte, da sie zuerst nur eine große Schönheit und Vollkommenheit sah; dann verspürte sie eine ebenso große Leere. Sie berührte einen Baumstamm - und fühlte kaltes Metall. Die Bäume sowie alle anderen Gartenpflanzen waren gewissermaßen nur Skulpturen, keine lebendige, blühende Natur; sie alle waren aus Metall gefertigt und versehen mit Blättern aus durchscheinendem Licht. Der ganze Garten strahlte jene unmögliche Klarheit von Gegenständen auf einem surrealistischen Gemälde aus - ein Objekt, entstanden durch den ordnenden Verstand des Künstlers … ein Abziehbild der Natur. Je tiefer sie in den Garten hineinschlenderte, desto mehr Anordnungen sah sie. Sie alle boten ein kompliziertes und subtiles Muster,
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