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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte
Autoren: Jo Nesbø
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Wolkenbruch geben würde und dass dies die Luftmassen waren, die die Regenwand als letzte Warnung vor sich herschob. Dann wurde es dunkel, als ob es plötzlich Nacht geworden wäre, die zwei Körper vor ihm verschmolzen miteinander, und noch im gleichen Moment war der Regen über ihnen, große, schwere Tropfen, die vom Himmel herabhämmerten.
    »Fünfundzwanzig.« Beates Stimme war plötzlich laut und klar.
    Im Lichtschein konnte Harry sehen, wie die Körper Schatten auf die rote Asche warfen. Der Knall, der folgte, war so laut, dass er sich wie ein Belag auf seine Ohren legte. Der eine Körper glitt von dem anderen und stürzte zu Boden.
    Harry sank auf die Knie und hörte seine eigene Stimme brüllen.
    »Ellen!«
    Er sah, wie sich die Gestalt, die noch immer dort drinnen stand, umdrehte und begann, mit dem Gewehr in den Händen auf ihn zuzugehen. Harry zielte, doch der Regen rann wie ein Bach über sein Gesicht und blendete ihn. Er blinzelte und zielte. Er spürte nichts mehr, weder Schmerz noch Kälte, weder Trauer noch Triumph, bloß ein großes Nichts. Die Dinge waren nicht dazu da, sich zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzufügen, sie wiederholten sich einfach wie ein ewiges Mantra, das sich selbst erklärte – leben, sterben, wieder geboren werden, leben, sterben. Er drückte den Abzug bis zum Druckpunkt. Zielte.
    »Beate?«, flüsterte er.
    Sie trat die Gittertür auf und reichte Harry das AG3-Gewehr, der es annahm.
    »Was … was ist passiert?«
    »Setesdalzucken«, sagte sie.
    »Setesdalzucken?«
    »Der Arme ist gleich zu Boden gegangen.« Sie zeigte ihm ihre rechte Hand. Der Regen rann darüber und spülte das Blut weg, das aus ihren Fingerknöcheln sickerte. »Ich habe nur auf etwas gewartet, das seine Aufmerksamkeit ablenkte. Und dieser Donner hat ihn ja total erschreckt. Und dich auch, so wie es aussieht.«
    Sie blickten zu dem Körper, der regungslos im linken Aufschlagfeld lag.
    »Hilfst du mir mit den Handschellen, Harry?« Die hellen Haare klebten ihr im Gesicht, doch sie schien es nicht zu bemerken. Sie lächelte.
    Harry wandte sein Gesicht in den Regen und schloss die Augen. »Gott im Himmel«, murmelte er. »Entlasse diese arme Seele nicht vor dem zwölften Juli zweitausendundzwanzig. Hab Gnade.«
    »Harry?«
    Er öffnete die Augen. »Ja?«
    »Wenn er zweitausendundzwanzig entlassen werden soll, müssen wir ihn jetzt aber schleunigst ins Präsidium bringen.«
    »Ich meine nicht ihn«, sagte Harry und stand auf. »Ich meine mich, da werde ich pensioniert.«
    Er legte seinen Arm um ihre Schultern und lächelte. »Setesdalzucken , du …«
     

 
     
     

    Kapitel 50 – Ekeberg
     
    In der zweiten Dezemberwoche begann es wieder zu schneien. Und dieses Mal meinte es der Winter ernst. Der Schnee türmte sich an den Häuserecken auf und weitere Niederschläge wurden vorhergesagt. Mittwochnachmittag kam das Geständnis. Trond Grette erzählte auf Anraten seines Anwalts, wie er den Mord an seiner Frau geplant und später durchgeführt hatte.
    Es schneite die ganze Nacht hindurch, und am nächsten Tag gab er auch zu, für den Mord an seinem Bruder verantwortlich zu sein. Der Mann, den er dafür bezahlt hatte, nannte sich El Ojo, das Auge, hatte keine Adresse und wechselte seinen Künstlernamen und seine Handynummer jede Woche. Trond war ihm nur einmal auf einem Parkplatz in São Paulo begegnet, wo sie die Details besprochen hatten. El Ojo hatte 1500 Dollar Vorschuss bekommen, den Rest hatte Trond in einem Schließfach auf dem Tiete-Terminal eingeschlossen. Die weitere Vereinbarung lautete, dass er den Abschiedsbrief an eine Poststelle in Campos Belos schickte, einem Stadtteil südlich des Zentrums, und den Schließfach-Schlüssel an den gleichen Ort, wenn er Levs kleinen Finger erhalten hatte.
    Während der langen Verhöre gab es nur einmal Grund zum Schmunzeln, denn auf die Frage, wie es Trond als Tourist gelungen sei, in Kontakt mit einem professionellen Killer zu kommen, hatte dieser geantwortet, dass dies deutlich leichter sei, als in Norwegen einen Handwerker zu bekommen. Die Analogie war wohl auch kein Zufall.
    »Lev hat mir das einmal erzählt«, sagte Trond. »Sie annoncieren als plomero neben den Telefon-Sexnummern in der Zeitung Folha de São Paulo.«
    »Plom-was?«
    »Plomero, Klempner.«
    Halvorsen faxte die sparsamen Erkenntnisse an die brasilianische Botschaft, die ohne weitere Spitzfindigkeiten versprachen, die Sache weiterzuverfolgen.
    Das AG3-Gewehr, das Trond beim Überfall benutzt
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