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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte
Autoren: Jo Nesbø
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theatralischen Tonfall. »Von eins bis fünfundzwanzig, nicht zu schnell und nicht zu langsam.«
    »Es gibt eine Sache, die ich mich frage«, sagte Harry. »Was hat sie zu dir gesagt, ehe du sie erschossen hast?«
    »Das willst du wohl gerne wissen, Harry, oder?«
    »Ja, das will ich.«
    »Dann hat unsere Beate hier noch zwei Sekunden, um mit dem Zählen anzufangen. Eins …«
    »Zähl, Beate!«
    »Eins.« Ihre Stimme war bloß ein trockenes Flüstern. »Zwei.«
    »Stine hat für sich selbst und Lev das endgültige Todesurteil gefällt«, sagte Trond.
    »Drei.«
    »Sie sagte, ich könne sie ruhig erschießen, sollte ihn aber verschonen.«
    Harry spürte, wie sich sein Hals zuzog und er die Pistole immer fester umklammerte.
    »Vier.«
     
    »Mit anderen Worten, er hätte also Stine erschossen, egal wie lange der Filialchef gebraucht hätte, das Geld in die Tasche zu packen?«, fragte Halvorsen.
    Harry nickte düster.
    »Als Allwissender kennen Sie doch sicher auch seine Fluchtroute«, sagte Ivarsson. Er versuchte sich an einem säuerlichen, ironischen Tonfall, doch die Verärgerung war nur zu deutlich herauszuhören.
    »Nein, aber ich nehme an, dass er über den gleichen Weg zurück ist. Die Industrigata hoch, dann die Pilestrede runter und über den Bauplatz, wo er sich die Sturmhaube abnahm und sich den Schriftzug ›Polizei‹ auf den Rücken des Overalls klebte. Als er wieder ins Fitnesscenter kam, trug er eine Schirmmütze und eine Sonnenbrille und verhielt sich so unauffällig, dass ihn das Personal nicht erkannte. Er ging direkt in die Garderobe, zog sich wieder die Trainingsklamotten an, die er getragen hatte, als er von der Arbeit kam, tauchte in der Menge des Fitnessraumes unter und fuhr ein bisschen Fahrrad oder stemmte Gewichte. Dann duschte er und ging zum Empfang, wo er den Diebstahl seines Squash-Schlägers meldete. Und das Mädchen, das den Diebstahl aufnahm, notierte den genauen Zeitpunkt, 16.02 Uhr. Sein Alibi war perfekt, als er auf die Straße ging, die Musik der Sirenen hörte und nach Hause fuhr. So in etwa.«
    »Ich weiß nicht, ob mir der Sinn dieses Polizei-Schriftzuges wirklich klar ist«, sagte der Polizeipräsident. »Wir benutzen selber doch gar keine Overalls.«
    »Elementare Psychologie«, sagte Beate und wurde rot, als sie bemerkte, dass der Polizeipräsident die Augenbrauen hochzog. »Ich meine … nicht elementar in dem Verständnis, dass es … einleuchtend wäre.«
    »Fahren Sie fort«, sagte der Polizeipräsident.
    »Trond Grette wusste natürlich, dass die Polizei nach allen Personen suchen würde, die in der näheren Umgebung mit Overalls gesehen worden sind. Deshalb musste er etwas an sich tragen, das dazu führte, dass die Polizei sich nicht weiter für die unidentiflzierte Person im SATS-Center interessierte. Es gibt nur wenig Sachen, die Menschen stärker auffallen als der Schriftzug ›Polizei‹.«
    »Interessante Behauptung«, sagte Ivarsson mit mürrischem Lächeln und legte zwei Finger unter sein Kinn.
    »Sie hat Recht«, sagte der Polizeipräsident. »Jeder hat doch ein bisschen Angst vor der Autorität.«
    »Fahren Sie fort, Lønn.«
    »Aber um ganz sicher zu sein, brauchte er sich selbst als Zeugen und berichtete uns unaufgefordert von einem Mann, der im Trainingscenter mit einem Overall mit der Aufschrift ›Polizei‹ an ihm vorbeigegangen sei.«
    »Was selbstverständlich in sich schon ein kleiner Geniestreich war«, sagte Harry. »Grette erzählte das so, als sei er sich nicht bewusst darüber, dass der Schriftzug ›Polizei‹ den Mann eigentlich disqualifizierte. Natürlich stärkte es in unseren Augen Trond Grettes Glaubwürdigkeit, dass er uns freiwillig etwas sagte, das ihn – aus seinem Blickwinkel betrachtet – an der Fluchtroute des Täters platzierte.«
    »Häh«, sagte Møller. »Kannst du das Letzte noch mal wiederholen, Harry. Aber langsam.«
    Harry holte tief Luft.
    »Ach, scheiß drauf«, sagte Møller. »Ich hab Kopfweh.«
     
    »Sieben.«
    »Aber du hast nicht getan, um was sie dich gebeten hat«, sagte Harry. »Du hast deinen Bruder nicht verschont.«
    »Natürlich nicht«, sagte Trond.
    »Wusste er, dass du es warst, der sie getötet hat?«
    »Ich hatte das Vergnügen, ihm das persönlich mitzuteilen. Per Handy. Er wartete auf dem Flughafen Gardermoen auf sie. Ich sagte ihm, dass ich auch ihn verfolgen würde, wenn er sich nicht in den Flieger setzte.«
    »Und er glaubte dir, dass du Stine getötet hattest?«
    Trond lachte. »Lev kannte mich.
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