Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eule - Niederrhein-Krimi

Die Eule - Niederrhein-Krimi

Titel: Die Eule - Niederrhein-Krimi
Autoren: Renate Thomas u Wirth Hesse
Vom Netzwerk:
Antwort, zog sie hinter sich her ins Nebenzimmer und warf sie aufs Bett.
    »Zieh dich aus!«, befahl er. »Aber schön langsam. Ich will was davon haben!«
    »Bist du verrückt geworden?«, fragte Anna mit zitternder Stimme.
    »So ähnlich.«
    Anna begriff nicht, was plötzlich mit Onkel Theo los war. Sie versuchte ruhig zu bleiben, obwohl ihr Herz wie verrückt raste. Sie spürte, dass Gegenwehr sinnlos war. Onkel Theo war stärker. Sie konnte schreien, aber niemand würde sie hören. Sie hatte keine Chance gegen ihn. Wenn sie sich wehrte, würde sie alles nur noch schlimmer machen. Ihre Angst flüsterte ihr ein, dass es das Beste war, nichts zu sagen und zu gehorchen. Sie stellte sich auf das Bett, zog das T-Shirt über den Kopf und entblößte ihre Brüste. Onkel Theo starrte sie mit großen Augen an und begann, seine Hose auszuziehen. Als Anna ihre Jeans abstreifte, fiel ihr das Handy ein. Sie fischte es heraus, ohne dass Onkel Theo etwas davon mitbekam.
    Dann lag sie da und ließ es geschehen. Innerlich schrie sie, doch es drang nur ein leises Wimmern nach außen. Sie zitterte und starrte an die Decke, ohne etwas zu sehen.
    »Nun komm schon«, keuchte Onkel Theo, als er fertig war. »Hab dich nicht so. Das war doch bestimmt nicht dein erstes Mal, oder?«
    Anna kam allmählich wieder zu sich. Sie stand auf, zog sich an und schob ihr Handy in die Jeans. Dann ging sie um das Bett herum, spuckte Onkel Theo ins Gesicht, ging in den Hauptraum der Hütte und riss das Fenster auf.
    »Warte doch«, rief Onkel Theo hinter ihr her. »Ich muss dir was sagen!«
    Anna drehte sich noch einmal um. Ihr Gesicht war eine undurchdringliche Maske, und sie biss die Zähne so heftig zusammen, dass ihr Kiefer schmerzte. Neben dem Tisch stand der Mann, dem sie immer vertraut hatte und der für sie einmal Onkel Theo gewesen war. Er sah erbärmlich aus. Das zerknitterte, eisbekleckerte Hemd hing über seinem schmierigen Bauch und verdeckte sein erschlafftes Geschlecht. Anna wandte sich ohne ein weiteres Wort ab und kletterte nach draußen.
    Grossmann trat ans Fenster und sah ihr nach. Etwas legte sich um seinen Hals. Es würgte ihn und nahm ihm die Luft. Es fühlte sich an, als wären es seine eigenen Hände. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er etwas kaputt gemacht hatte, was sich nie mehr in Ordnung bringen ließ. Ihn packte ein ekelhaftes Selbstmitleid, und seine trüben Augen füllten sich mit Tränen.
    »Anna«, flüsterte er mit tonloser Stimme. »Verzeih mir bitte! Ich hätte das nicht tun dürfen. Ich bin krank, weißt du. Ich bin so gut wie tot.«
    Als ihre mädchenhafte Gestalt im Hohlweg verschwand, dachte er für einen Augenblick daran, ihr zu folgen, es ihr zu sagen oder sie zum Schweigen zu bringen. Gleichzeitig verachtete er sich für diesen Gedanken. Er wankte zum Tisch zurück, ließ sich auf einen Stuhl fallen und schüttete sich ein weiteres Glas ein. Er zog die Bescheide aus der Jackentasche, starrte die Formulare eine Zeit lang an und zerriss sie endlich.
    Dann nahm er den Schlüssel, stand auf und öffnete den Waffenschrank.

EINS
    Die Männer steigen in das Auto. Alle vier haben zu viel getrunken. Der Fahrer hat beim Streichholzziehen den Kürzeren gezogen. Es ist nicht sein Wagen. Er startet den Motor. Nieselregen fällt, und die Straße spiegelt das Licht der Scheinwerfer. Es ist 21.24 Uhr. Der Wagen setzt sich in Bewegung .
    Eine graue Staubwolke stieg auf, als Conrad van de Loo sich auf den Fahrersitz fallen ließ. Obwohl irgendwelche Drahtspitzen sich in seinen Rücken bohrten, streckte er die Arme aus und umfasste das schmutzige Lenkrad. Es ließ sich nicht bewegen, genauso wenig wie die Fensterkurbel. Auch Kupplung und Bremse funktionierten nicht mehr. Der Hundertneunziger roch nach Rost und Vergangenheit. Er war seit Jahren nicht mehr bewegt worden, und van de Loo konnte sich nicht einmal erinnern, wo er den Schlüssel deponiert hatte.
    Er wischte die Staubschicht vom Rückspiegel, betrachtete sein Gesicht und war nicht sonderlich zufrieden mit dem, was er sah. Es lag nicht nur an den Falten, den größer werdenden Tränensäcken und seinen glanzlosen Augen. Auch nicht daran, dass er zugenommen hatte in den letzten Jahren. Es war mehr. Es war das ganze Leben, die eintönige Zufriedenheit, in der er sich eingerichtet hatte. War das bei allen so, die mehr als ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hatten? Früher hatte eine geheime Kraft ihn auf Trab gehalten, und er hatte immer zu wenig Zeit gehabt, seinen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher