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Die Eule - Niederrhein-Krimi

Die Eule - Niederrhein-Krimi

Titel: Die Eule - Niederrhein-Krimi
Autoren: Renate Thomas u Wirth Hesse
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Verbindung her.
    »Hallo?« Annas Mädchenstimme strömte ins Wageninnere wie ein tröstendes Parfum.
    »Ich bin’s«, sagte Grossmann. »Alles in Ordnung?«
    »Na klar.«
    Die Stimme zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht. »In zwanzig Minuten bin ich da.«
    »Fahren wir wieder zur Hütte?«
    »Natürlich!«
    »Und was machen wir da?«
    »Lass dich überraschen!«
    Anna stand wie verabredet an der Ecke Issumer Straße. Grossmann konnte sich erinnern, dass sie als Kind ein wenig pummelig gewesen war, aber das hatte sich inzwischen rausgewachsen. Er hupte kurz und stoppte auf dem Parkstreifen. Anna brauchte einen Augenblick, bis sie ihn erkannte. Er hatte den Wagen seiner Frau genommen, weil er sich inzwischen lächerlich vorkam, wenn er seinen Namen durch die Gegend kutschierte. Mit kleinen Schritten kam Anna zum Auto gelaufen und riss die Beifahrertür auf.
    »Da bist du ja endlich«, sagte sie, warf sich auf den Sitz, beugte sich zu ihm herüber und schmatzte ihm einen Begrüßungskuss auf die Wange. »Neues Auto?«
    »Von meiner Frau!«
    »Hat die auch dein Rasierwasser ausgesucht?«
    »War ich selbst. Öfter mal was Neues.«
    »Was denn sonst noch?«
    »Das sag ich dir lieber nicht.«
    »Oh. Ein großes Geheimnis!«
    Sie lachte, und Grossmann sah kurz zu ihr hinüber. Er hatte sie immer gemocht, aber jetzt störte ihn ihre jugendliche Unbeschwertheit. Ihr Lachen klang in seinen Ohren wie Hohn, und es dauerte einen Augenblick, bis er begriff, warum. Alles war anders seit der Diagnose. Und dann waren auch noch die Bescheide gekommen.
    »Was macht die neue Schule?«, fragte er beiläufig. »Hast du dich schon eingewöhnt?«
    »Alles prima. Bin nach den Sommerferien super gelandet. Ist irgendwie geil, noch mal von vorn anzufangen. Ich hab sogar schon eine neue Freundin gefunden.«
    »Und die Jungs?«
    »Ach, die sind doch überall gleich. Langweilige Großmäuler! Sag mal, warum fahren wir eigentlich heute schon zur Hütte? Donnerstags waren wir noch nie da.«
    »Das Wetter soll schlechter werden«, sagte Grossmann. Als er den Wagen erneut in Bewegung setzte, war das leise Klappern der Flaschen im Kofferraum zu hören.
    Wie gewohnt machte er einen kurzen Abstecher nach Issum, hielt vor der Kirche, gab Anna zehn Euro und schickte sie zum Eisholen. Sie trug eine verwaschene Jeans mit einem breiten weißen Gürtel; zwischen T-Shirt und Gürtel war der Ausschnitt eines Tattoos zu erkennen, das Grossmann zu gern ganz gesehen hätte.
    Er grinste, als sie zurückkam, die Hörnchen mit den kleinen Eisbergen balancierend. Das T-Shirt gewährte vielversprechende Einblicke, und die Aufschrift »Just do it!« spannte sich über ihre Brüste.
    Warum eigentlich nicht?, dachte Grossmann. Ist doch sowieso alles egal. Bald bin ich tot. Dann kann mir keiner mehr was. Warum sollte ich auf irgendetwas verzichten? Außerdem bin ich nicht ihr Vater. Die Beweise habe ich in der Jackentasche.
    Er startete den Motor und fuhr mit einer Hand weiter. Anna kicherte, als ihm das Schokoladeneis auf das frisch gebügelte Hemd tropfte.
    Die Hütte in der Bönninghardt war nur Eingeweihten bekannt. Auch wenn die Gegend ihre ursprüngliche Wildheit und Unzugänglichkeit längst verloren hatte, gab es noch versteckte Orte abseits der ausgeschilderten Reit- und Wanderwege. Um zur Hütte zu gelangen, musste man zunächst ein Stück über einen gut ausgebauten Wanderweg fahren. Dann bog man in einen schmalen, von Gebüsch und Brombeeren halb zugewucherten Hohlweg ein.
    In dem einfachen Holzbau gab es Strom, fließend Wasser und sogar eine Dusche. Im hinteren Teil des Hauptraumes befand sich eine Kochnische. Wie in holländischen Ferienhäusern war nur das Notwendigste vorhanden, aber es war gemütlich dort, und von der Bank auf der Veranda aus hatte man einen schönen Blick auf das Hochwild, wenn es in der Dämmerung aus dem Dunkel des Waldes trat. Wen die Einsamkeit nicht störte, der konnte es hier gut ein paar Tage aushalten.
    Grossmann bog in den Hohlweg ein und fuhr vorsichtig weiter. Als der Weg zu eng wurde, ließ er Anna aussteigen. Sie schob ein paar störende Äste zur Seite. Grossmann stellte das Auto links neben der Hütte ab, stieg aus und holte den Schlüssel aus dem Versteck. Er öffnete die schwere Holztür und trat ein. Obwohl es in der Hütte ein wenig muffig roch, ließ er das Fenster zu und ging zum Auto zurück.
    Anna stand vor den Brombeerbüschen. Sie streckte ihren jugendlichen Körper, um an die reifen Beeren zu kommen. Das
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