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Die Erwaehlten

Die Erwaehlten

Titel: Die Erwaehlten
Autoren: Scott Westerfeld
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funktioniert das eigentlich?“
    „Der Fels braucht bloß eine kleine Probe von dir.“
    „Eine Probe“, sagte Jessica. „Und dafür wird er mir die Hand lecken?“
    Melissa grinste wieder. „Eher reinbeißen als ablecken.“
    Rex wandte sich an Melissa und nahm ihr das Messer aus der Hand. „Lass das, Melissa. Das ist keine große Sache.“
    Er wandte sich an Jessica.
    „Ein paar Tropfen Blut reichen.“
    Sie wich einen Schritt zurück. „Niemand hat was von Blut gesagt!“
    „Nur von deiner Fingerspitze. Es wird kaum wehtun.“
    Jessica ballte ihre Faust.
    „Kommt schon, Jess“, sagte Melissa. „Hast du noch nie mit einer Freundin Blutsbrüderschaft geschlossen? Oder einen Blutschwur geleistet?“
    „Äh, eigentlich nicht. Ich steh mehr auf ,Hand aufs Herz‘.“
    Rex nickte. „,Hand aufs Herz‘ war eigentlich ein Blutschwur. Sie haben das in den alten Zeiten mit einem Messer gemacht.“
    „Der Teil mit dem ,Bis in den Tod‘ hatte damals eine viel realere Bedeutung“, sagte Melissa.
    „Wir sind hier nicht in den alten Zeiten“, sagte Jessica. „Und bis in den Tod wollte ich auch nicht unbedingt.“
    „Was, bist du zu feige, um dir in den Finger zu schneiden?“, fragte Melissa.
    Jessica sah sie finster an. Nach allem, was sie heute Nacht durchgemacht hatte, würde niemand sie feige nennen. Melissa jedenfalls nicht.
    „Gut. Gib mir das Messer“, sagte sie seufzend.
    „Lass das Blut genau hierhin tropfen.“ Rex deutete auf eine kleine Vertiefung im Felsvorsprung, die nicht größer war als ein Vierteldollar.
    Jessica sah sich das Messer an. „Ist das Ding sauber?“
    „Unbedingt. Nichtmenschliches hat sich ganz sicher …“
    „Nicht in diesem Sinn sauber“, unterbrach Jessica und unterdrückte den Wunsch, mit den Augen zu rollen. „Desinfiziert meine ich.“
    Rex lächelte. „Riech dran.“
    Jessica roch an dem Messer und entdeckte den schwachen Duft von Reinigungsalkohol.
    „Entspann dich einfach, okay?“, sagte Rex. „Wir brauchen bloß ein paar Tropfen.“
    „Kein Problem.“ Sie sah auf ihre Hand und ballte sie zur Faust, nur den Ringfinger ließ sie gestreckt. Das Messer glitzerte im dunklen Mondlicht, und sie konnte das winzige Wort Edelstahl auf dem Schaft lesen.
    „Also gut“, sagte sie und riss sich zusammen.
    „Soll ich das …“
    „Nein!“, fiel Jessica ihm ins Wort.
    Sie schluckte, biss ihre Zähne zusammen und zog die Klinge über ihre Fingerkuppe. Schmerz zuckte ihren Arm hinauf.
    Sie sah zu, wie Blut am Schnitt entlangquoll. Sogar im blauen Mitternachtslicht sah es frisch und leuchtend rot aus.
    „Pass auf, dass nichts danebenläuft“, sagte Melissa.
    „Ist reichlich da“, murmelte Jessica. Sie hielt ihre Hand über den Felsvorsprung und beobachtete, wie sich allmählich ein Tropfen auf ihrer Fingerkuppe bildete, kurz ein wenig wackelte und dann in die kleine Vertiefung im Stein fiel.
    Ein Zischen war tief im Inneren des Steins zu hören. Jessicas Hand zuckte zurück.
    „Mehr“, sagte Rex.
    Sie streckte den Arm vorsichtig wieder aus und ließ noch einen Tropfen in die Schale fallen. Das Zischen wurde lauter, während das Blut lief. Sie spürte ein Beben unter ihren Füßen.
    „Okay“, sagte Rex. „Das könnte reichen.“
    Der Obelisk vor ihr zitterte. Sand rutschte von allen Seiten in die Grube, und sie musste erst den einen, dann den anderen Fuß davon befreien.
    „Ist es das, was passieren sollte?“
    „Äh, ich weiß nicht“, sagte Rex.
    „Wir haben das ehrlich gesagt noch nie gemacht“, gab Melissa zu.
    „Na toll.“
    „Weißt du, normalerweise liegt es einfach auf der Hand, wer was für ein Talent hat“, sagte Rex und trat von dem Stein zurück. Er schwankte jetzt mehr. Um sie herum wirbelte Staub vom Boden auf, und Jessica hörte eine Art schmatzendes Rülpsen unter ihren Füßen.
    Sie stellte sich das Wasser da unten vor, kalt und dunkel und seit Jahrzehnten in Warteposition.
    „Und wann sollen wir jetzt losrennen?“, rief sie, um das Rumpeln zu übertönen.
    Mit einem lauten Knall spaltete sich der Stein vor ihnen, der Riss teilte ihn von oben bis unten.
    „Jetzt gleich, würde ich sagen!“, schrie Rex.
    Jessica kehrte um und stolperte aufwärts. Der Sand rutschte unter ihr und nahm sie wieder mit nach unten.
    Plötzlich hörte das Rumpeln auf.
    Die drei blieben stehen, sahen sich an, dann kehrten sie zum Fels zurück.
    „Hübsch gelaufen“, sagte Melissa. „Du hast ihn kaputtgekriegt, Jessica.“
    Der Fels war tatsächlich in
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