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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman
Autoren: Jessica Grant
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oder Kleineres. Es ist der Ort, den ich die EBBE nenne.
     
    D ie letzte Etappe meines Sprungs über den Kontinent: Air Canada Flug 696. Die Spätmaschine nach St. John’s. Keine Waffen. Kein Nickerchen. Reichlich Gelächter. Beim Start hielt meine Sitznachbarin mir ihren Katalog unter die Nase und zeigte mir eine digitale Gürtelschnalle, die man mit Laufschriften wie HALLO ICH HEISSE ADAM oder HAPPY BIRTHDAY programmieren kann. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen. Du liebe Güte. Nicht zu fassen, dass es Leute gibt, die so was tragen.
    Nicht zu fassen. Ich okkupierte unauffällig ihre Armlehne.
    Hinter mir immer wieder Heiterkeitsausbrüche. Ich wandte den Kopf. Im Gang war eine rauschende Party im Gang. Es wurden erhebliche Mengen von eindeutig nicht an Bord erstandenen Chips verzehrt.
    Wie klingt ein Flugzeug voller Neufundländer: Sarkastisch wäre eine freundliche Umschreibung.
    Als M. Latourelle, der Flugbegleiter, mit dem Getränkewagen kam, bot der Mann in 23D ihm, M. Latourelle, Chips und etwas zu trinken an. Ziemlich witzig. Und sehr nett.
    Leider fand M. Latourelle das Angebot weder witzig noch nett.
    Er bat mich dreimal, mit der Hand auf meiner Schulter, meine pieds magnifiques nicht in den Mittelgang zu strecken.
    Was heißt hier magnifiques .
    Die Katalogfrau bot mir ihren Fensterplatz an.
    Zu einem Fensterplatz würde ich nicht Nein sagen.
    M. Latourelle legte ein Nachrichtenvideo ein und bat uns – insbesondere die Fluggäste ab Reihe 21 aufwärts – um unsere Aufmerksamkeit.
    Ich kippte meinen Fensterplatzsitz nach hinten.
    Im Flugzeug werden grundsätzlich nur positive Nachrichten gezeigt. Achten Sie mal darauf. Flugzeugabstürze bekommt man dort jedenfalls nicht zu sehen. Wenn man ewig fliegen könnte, gäbe es auch keine Flugzeugabstürze.
    In der heutigen Sendung geht es vor allem um die kurzfristig nach Weihnachten angesetzte Wahl in Kanada. Und ach. Um die Geiselnahme. Ja, sie ist noch immer nicht beendet, aber die Geiseln, zumindest die kanadischen, bekamen Süßigkeiten zu essen.
    Was für Süßigkeiten, überlegte ich.
    Wahrscheinlich Türkischen Honig, meinte die Katalogfrau.
    Ah. Lecker.
    Die nicht-kanadischen Geiseln bekamen keine Süßigkeiten.
     
    In der Spätmaschine sitze ich wegen der endlosen Befragung in Toronto, wo ich gleich nach der Landung von zwei Wachleuten der Greater Toronto Airport Authority (GTAA) zu einem Raum in Terminal 1 eskortiert wurde, den man lieber nicht von innen sehen möchte. Amerikanisches Hoheitsgebiet, mit eigener Flagge. Als ich die Flagge sah, wusste ich, dass ich meinen Anschlussflug verpassen würde.
    Der Raum war oval, mit einem ovalen Tisch und einem Fenster zum Flur. Tweed war schon da, als ich hereinkam, und lehnte am Fenster, komischerweise ohne sein Amulett. Ebenfalls anwesend waren die beiden Piloten und Tuesday Miller. Ihr langer Hals war unversehrt.
    Dann traten auf: der Chef der Flughafensicherheit sowie mehrere Männer mit Dienstmarken der US-Einwanderungsbehörde INS, die keinen Hehl daraus machten, dass sie Kanonen unter ihren Jacketts trugen.
    Setzen Sie sich, sagte der Chef.
    Wir setzten uns.
    Keith Gordon und der andere Pilot setzten sich nebeneinander. Ich ließ absichtlich meinen Pass fallen, um zu sehen, ob sie unter dem Tisch Händchen hielten.
    Sie hielten.
    Die Fragen beschränkten sich keineswegs nur auf den Diebstahl von Tweeds Kanone: Wie lange waren Sie in Amerika. Warum. Bei wem. Wo haben Sie gewohnt. Wo sind Sie überall gewesen. Wann und wo sind Sie eingereist. Haben Sie gearbeitet.
    Ich zeichnete das gestochen scharfe Bild einer langjährigen Romanze mit Amerika, in deren Verlauf ich mein Geld mit vollen Händen ausgegeben, aber keine Arbeit angenommen hatte. Dann lenkte ich das Gespräch zurück auf Tweed, der mürrisch auf den Flur hinausstarrte, als winke dort der weite Horizont samt Sonnenuntergang. Ich erklärte, er sei mir sofort suspekt gewesen, weil er trotz seiner spannenden Lektüre völlig entspannt geblieben sei und nicht ein einziges Mal umgeblättert habe. Dass ich durch sein Amulett auf seine Waffe aufmerksam geworden und er kurioserweise sofort auf meinen Da-kommt-der-Pilot-Trick hereingefallen sei. Dass er gegen die Tür gehämmert und die Zuversicht der Passagiere von Flug 880 dadurch mutwillig zerstört habe. Von seinem Geschrei ganz zu schweigen, das im Übrigen vollkommen unnötig gewesen sei, schließlich hätte ich Keith Gordon und Tuesday Miller sehr gut verstanden, als sie mit ruhiger
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